piwik no script img

Aus taz FUTURZWEI

Überraschende Entdeckungen in der FAZ Mehr Wirtschaft, weniger Luisa

Früher schmiss unser Autor Arno Frank den Wirtschaftsteil ungelesen weg. Neuerdings ließt er ihn als Finanzfeuilleton.

Altkanzler Helmut Schmidt liebte Rauchen und Zeitunglesen. Hier mit FAZ (2012) Foto: picture alliance / dpa

Von ARNO FRANK

Als Abonnent der Frankfurter Allgemeinen Zeitung freue ich mich jede Woche so sehr auf den Dienstag, wie ich mich als Abonnent der Titanic auf den letzten Freitag im Monat freue. Denn am Dienstag liegt der FAZ »Technik und Motor« bei, das vielleicht bekloppteste Ressort im deutschen Pressewesen.

Meine Entscheidung für die FAZ ist schnell erklärt. Ich brauche einen »Rhein-Main«-Teil, keinen »Chiemgau«- oder »Oberfranken«-Teil. Ich lebe nicht in Bayern und bin selbst schon linksliberal genug, brauche also keine Süddeutsche Zeitung. Da beobachte ich lieber zusätzlich zur täglichen taz, was der »Feind« so schreibt. Seit allerdings die taz ihren freien Mitarbeitern das freie Abo für Gedrucktes auf Papier gestrichen hat, bin ich mit der FAZ alleine.

Und frage mich gerade, ob das gut für mich ist.

Früher verfuhr ich mit der FAZ, wie der Schwertwal mit dem Weißen Hai verfährt. Der Orca frisst nur die leckere Leber seines Opfers, der Rest der Beute interessiert ihn nicht. Mich interessierten nur der Mantel und das feine Feuilleton an der Zeitung. Den Rest trug ich nicht einmal hoch in die Wohnung. »Wirtschaft«, »Finanzen«, »Sport« und sonstiger Quatsch flattern gleich im Hof in den Papiermüll. Oben dann schön lesen, wie Simon Strauß irgendwelche Theaterstücke oder Dietmar Dath irgendwelche Actionfilme findet, die ich nie sehen werde. Dazwischen vielleicht eine maliziöse Glosse über Klimakleber. Kultur!

Dienstags aber ist »Technik und Motor«-Tag. Es geht darin um Dinge, für die man Geld ausgeben kann. Geködert wurde ich mit Textberichten über Motorräder, geschrieben halt auf süffisant-informativem FAZ-, nicht auf technizistisch-testosteronstrotzendem Motorrad-Niveau. Seitdem bin ich angefixt und lese alles über neue Automobile, neue Kaffeemaschinen, neue Boote, neue Uhren, neue Wohnmobile, neue Drohnen und dergleichen. So ganz nebenbei hat, ganz ohne Tamtam, ein technologischer, vielleicht sogar ideologischer Paradigmenwechsel stattgefunden. Immer wieder mal geht es ganz selbstverständlich auch um E-Autos, Fahrräder, Wärmepumpen, Photovoltaik oder solarbetriebene Superyachten.

Leseempfehlung für Ökos: die Wirtschaftsteile großer Tageszeitungen

»Technik und Motor« war für mich die Einstiegsdroge in das wirklich harte Zeug: Wirtschaft und Finanzen. Da steht dann drin, wenn man es mal aufschlägt, warum die Franzosen ihre Atomkraft so sehr lieben (Echt? Ist das nicht gefährlich?), wie die EU das Klimarecht behindert (Ist die EU nicht klimafreundlich?), wie’s zu dem Schuldenberg der Bahn gekommen ist (Brechen die nicht alle Fahrgastrekorde?), dass Bertelsmann Rekordgewinne einfährt (War da nicht was mit Gruner + Jahr?) oder wie ein klimaneutraler Fischereihafen aussehen könnte.

Kann sein, dass das alles auch in der taz steht oder im Greenpeace Magazin. In der FAZ aber steht’s, mit Verlaub, besser. Weil ich das dort nicht erwarte. Ebenso wenig wie unlängst eine Neubewertung von Alfred Müller-Armack (CDU), dem geistigen Vater der »sozialen Markwirtschaft«.

Kein grüner Flausenkopf, sondern der Säulenheilige des Ordoliberalismus hatte schon 1960 für eine »Anpassung unserer Wirtschafts- und Finanzpolitik« plädiert, um »die Umweltgestaltung in Zukunft mit viel größerer Intensität« betreiben zu können. Der Staat, schrieb der Mann in einer Denkschrift, müsse sich »auf seine spezifischen Aufgaben für die Setzung einer konkreten Umweltordnung besinnen« – und das zu einer Zeit, als der Begriff »Ökologie« nur in kleinen Akademikerkreisen bekannt war.

Lernt man dann. In der FAZ. Finanzfeuilleton, sozusagen.

Wem wirklich an einer »Hochzeit von Ökologie und Ökonomie« gelegen ist, sollte vielleicht weniger Tweets von Luisa Neubauer lesen. Es könnte klug sein, stattdessen versuchsweise nach den Wirtschaftsteilen großer Tageszeitungen zu greifen. Oder zu »Technik und Motor«, wo die Kritik am Alten bisweilen sehr gut versteckt ist.

In einer aktuellen Rezension des neuen Alfa Romeo Giulia bemäkelt der Kritiker abschließend, »dass der Dieselmotor akustisch sehr präsent ist«. Ob’s zu so einem Diesel auch Alternativen gibt? Ich werde es kommenden Dienstag erfahren.

Dieser Beitrag ist im Juni 2023 in unserem Magazin taz FUTURZWEI N°25 erschienen.