Überprüfung von Niedriglohn-Branchen: Scholz poliert Mindestlöhne auf
Die Regierung setzt eine Kommission ein, die Niedriglohn-Branchen überprüfen soll. Arbeitsminister verspricht Mindestlöhne für vier Millionen Menschen.
Das Bundeskabinett hat am Mittwoch auf Vorschlag von Bundesarbeitsminister Olaf Scholz (SPD) einen aus sieben Experten bestehenden Hauptausschuss für Mindestlöhne eingesetzt. Das Gremium hat die Aufgabe zu prüfen prüfen, in welchen Branchen Dumpinglöhne gezahlt werden und deshalb Mindestlöhne festgesetzt werden müssen. Deren jeweilige Höhe wird dann ein Fachausschuss bestimmen.
Vorsitzender wird der frühere Hamburger Bürgermeister und SPD-Politiker Klaus von Dohnanyi. Außerdem sitzen in dem Ausschuss die Volkswirte Jutta Allmendinger, Präsidentin des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung, und Wolfgang Franz, Präsident des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung. Als Wirtschaftsvertreter sind Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt und Handwerkspräsident Otto Kentzler in dem Gremium vertreten, für die Arbeitnehmer sprechen DGB-Chef Michael Sommer und der Arbeitsrechtler Ernst-Otto Kempen.
Scholz versicherte, er werde die Mitglieder "in Kürze und auch noch deutlich vor der Wahl" zur konstituierenden Sitzung einladen. Die Berufung des Mindestlohnausschusses ist im so genannten Mindestarbeitsbedingungsgesetz vorgesehen, das die Bundesregierung bereits im Februar beschlossen hatte. Das Gremium soll sich mit denjenigen Branchen befassen, in denen weniger als die Hälfte der Arbeitnehmer Tariflöhne erhalten. Als ein Beispiel nannte Scholz die Fleischindustrie und Callcenter. Bis Ende 2009 würden "wahrscheinlich vier Millionen Arbeitnehmer durch Mindestlöhne geschützt" sein. Derzeit sind es etwa 1,8 Millionen.
Ebenfalls am Mittwoch veröffentlichte das Statistische Bundesamt Zahlen zum Arbeitsmarkt, die eine größere Lohngerechtigkeit umso dringlicher erscheinen lassen. Demnach hat die Zahl derer, die in einem "normalen" Arbeitsverhältnis beschäftigt sind, innerhalb der vergangenen zehn Jahre deutlich abgenommen. 1998 waren in Deutschland noch 72,6 Prozent der Berufstätigen sozialversicherungspflichtig, haben mindestens 20 Stunden in der Woche gearbeitet und hatten einen unbefristeten Arbeitsvertrag; 2008 waren es nur noch zwei Drittel. Zeitgleich stieg der Umfang von Zeitarbeit, Teilzeitjobs und befristeten Beschäftigungen von 16,2 auf 22,2 Prozent.
Eine weitere drastische Zunahme der Leiharbeit befürchtet die IG Metall. Deren Vizechef Detlef Wetzel sagte, Leiharbeit werde zunehmend strategisch und nicht mehr zur Abfederung von Produktionsspitzen eingesetzt. Mittelfristig drohe daher "eine Zahl von 2,5 Millionen Leiharbeitsverhältnissen". Die Linkspartei kritisierte den Ausschuss. "Lohndumping-Beirat wäre richtiger", sagte der Vize-Parteivorsitzende Klaus Ernst. Das Gremium sei mit neoliberalen Niedriglohn-Anhängern besetzt.
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