■ Die Anderen: Über eine mögliche Große Koalition in Bonn schreibt "La Repubblica" / Auch der "Guardian" und "Il Messaggero" thematisieren die Bundestagwahl / "Der Standard" in Wien nimmt sich den potentiellen SPD-Wirtschaftsminister vor
Über eine mögliche Große Koalition in Bonn schreibt „La Repubblica“ in Rom: „Heute hingegen erklärt Schröder seine Bereitschaft zu einer Situation, in der die SPD lediglich die Rolle eines Juniorpartners der Union übernehmen werde. Schröder sagt es nicht, aber es scheint klar, daß diese neue, unerwartete Konzession an den politischen Gegner nur vier Tage vor der Wahl ein Zeichen seiner wachsenden Sorgen und Unsicherheit ist, wie denn die Wahl ausgehen werde. Und das ist nicht alles. Mit seiner neuen und sehr klaren Stellungnahme der Distanz zu den Grünen ... bekräftigt Schröder, daß er eine Regierung zwischen der SPD und den Ökologen bei einer lediglich knappen parlamentarischen Mehrheit ausschließt.“
Auch der britische „Guardian“ thematisiert die Bundestagswahl: „Würde Kohl als Bundeskanzler wiedergewählt, würde dies das Nachfolgerproblem innerhalb der CDU nicht lösen. Irgendwann in der neuen Wahlperiode müßte Kohl einem Jüngeren Platz machen. Obwohl Kohls wahrscheinlicher Nachfolger qualifiziert und populär ist, ist er als Führungspersönlichkeit nicht erprobt. Dasselbe gilt für Gerhard Schröder ... Die Deutschen spüren die Notwendigkeit zum Wechsel. Aber sie wollen, daß er sich ohne Schmerz und mit garantiertem Ergebnis vollzieht. Die wachsende Zahl jener, die eine Große Koalition befürworten, sollte sich fragen, ob dies eine Koalition für Reformen oder ein Rezept für Tatenlosigkeit wäre.“
„Der Standard“ in Wien nimmt sich den potentiellen SPD-Wirtschaftsminister Stollmann vor: „Wenn der designierte Wirtschaftsminister auch nicht gerade glückliche Formulierungen gewählt hat, so hat er doch den Reformbedarf thematisiert. Denn die hohen Lohnnebenkosten in Deutschland sind das größte Einstellungshindernis und das Hauptproblem bei der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit. Beim internationalen Arbeitskosten-Ranking belegt die deutsche Industrie seit Jahren Platz eins ... Stollmann hat mit seinen Sprüchen in diesem Wahlkampf das Partei-Establishment das Fürchten gelehrt und gleichzeitig neue Wählerschichten erschlossen.“
Über den SPD-Herausforderer schreibt Italiens „Il Messaggero“: „Schröder wird als der bessere Kohl definiert, als modernere Kopie des Kanzlers. Und er soll nicht immer genau sagen, was er will; aber das macht er dafür mit großer Überzeugung. Aus dieser Art, ungreifbar zu sein, hat Schröder eine Stärke gemacht. Jetzt hat der Kandidat einen weiteren Judogriff angewendet. Um Deutschland zu regieren, hat er wissen lassen, könnte man auch auf einen dritten Mann zurückgreifen, das müsse weder er noch Kohl sein. Das könnte geschehen, wenn die SPD bei der Wahl nur ganz knapp zweitstärkste Partei würde und eine Große Koalition notwendig wäre. Es handelt sich um eine Botschaft, die beruhigen soll, zugleich zielt sie gegen die Möglichkeit einer rot-grünen Regierung.“
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