US-Militärbasis in der Pfalz : Kein Synonym für Krieg
Ramstein-Miesenbach: Hier sorgt eine US-Airbase für erhitzte Gemüter. Die taz fragte, welche Wünsche die BewohnerInnen haben?
von PAUL TOETZKE
Eine graue Linie zieht sich durch die braungrüne Landschaft. Wie eine Insel liegt die US-Airbase Ramstein inmitten der Pfalz, ein dunkler Waldumriss trennt sie von der Außenwelt. Vom Bismarckturm in Landstuhl kann man ihr ganzes Ausmaß erahnen. Gerade bereitet sich ein Tankflugzeug auf die Landung vor. Die Motorengeräusche schallen durch den Pflälzer Wald.
Doch es nicht nur die Lärmbelästigung, die die Menschen in der Region Kaiserslautern beschäftigt. Kampfflugzeuge starten und landen hier, Drohnensignale werden weitergeleitet, Munition gelagert. Von hier aus werden Kriege geplant und durchgeführt. Immer noch leben über 50.000 Amerikanerinnen in der Region, Tendenz: steigend.
Gerade wird ein neues Militärhospiz gebaut, ein weiterer Anbau ist in Planung. Die Airbase scheint auch weiterhin fester Bestandteil der amerikanischen Außen- und Verteidigungspolitik zu bleiben. Wie gestaltet sich das Zusammenleben? Welche Wünsche haben die Bewohner? Und wie stellen sie sich ihre Zukunft vor?
Neubauten statt Abriss
Um darüber zu diskutieren, war taz.meinland in Ramstein-Miesenbach, einer Gemeinde am Rande der Militärbasis zu Gast. Fünfzig bis sechzig Menschen folgten der Einladung der taz in das „Haus des Bürgers“. Das Publikum ist divers, es mischen sich Jung und Alt ebenso wie Einheimische und Menschen aus anderen Gemeinden.
Die Moderatoren, die taz-Redakteure David Joram und Tobias Schulze, befragen Bürgermeister Ralf Hechler zunächst nach den aktuellen Entwicklungen. Denn seit ein paar Tagen weiß man: die Airbase soll bis zum Jahr 2021 erweitert werden.
Der Bau von zwei neuen Nebengebäuden ist bereits geplant, fünfzehn weitere Tankflugzeuge sollen hier bald stationiert werden. „Für uns als Gemeinde bedeutet das konkret, dass 750 neue Dienstposten geschaffen werden. Das heißt zusammen mit Familienangehörigen, werden hier etwa 2.000 neue Menschen leben“, sagt Hechler.
Detlev Besier ist Pfarrer für Frieden und Umwelt. Er sieht die Erweiterung der Airbase skeptisch: „Wann fangen wir endlich an über Konversion nachzudenken?“ Er hätte sich erste Schritte in diese Richtung gewünscht. Im Publikum gibt es zustimmendes Nicken. Die Mehrheit hier sind Friedensaktivisten und Gegner der Airbase – das wird schon zu Beginn der Diskussion deutlich.
Was passiert mit der Umwelt?
Ein weiteres wichtiges Thema bei der Vergrößerung der Militärbasis sind die Auswirkungen auf die Umwelt. Karl-Heinz Klein vom BUND kritisiert die mangelnde Einbeziehung der Umweltverbände. Sie hätten Fragebögen zu der zu rodenden Fläche eingereicht, doch diese seien nicht ernsthaft beantwortet worden. Eine Untersuchung zum Fledermaus-Vorkommen steht noch aus. „Wir werden noch einmal genau hinschauen“, sagt er. Doch ist die Erweiterung dann überhaupt noch zu stoppen?
Genau das sei das Problem, erklärt Freia Jung-Klein. Sie sitzt für die Grünen im Kreistag und engagiert sich schon seit Langem gegen die Airbase. „Das ist ein top-down Modell. Es gibt kaum Mitspracherecht. Wir werden meistens erst informiert, wenn die Entscheidung schon getroffen ist.“
Das sei schon beim Bau des neuen Militärhospitals so gewesen, das sich teilweise in einem Wasserschutzgebiet befindet. Doch natürlich geht es auch um eine ethische Frage. „Wir haben hier einige Flüchtlinge. Wenn ich denen erkläre, dass hier Kampfflugzeuge beladen werden, dann wird mir übel“, sagt sie.
Einer, der das Zusammenleben mit den Amerikanern erforscht und dokumentiert ist Michael Geib. Er leitet das Dokumentationszentrum zur Geschichte der US-Amerikaner in Rheinland-Pfalz. „Die Amerikaner sind seit 60 Jahren hier. Das war noch nie unumstritten.“ Doch gespalten sei die Region deswegen nicht. Viele würden das auch als etwas Besonderes sehen. Ein kultureller Austausch, den es sonst so nicht auf der Welt gibt. „Man hat sich daran gewöhnt“, sagt er.
Die Gefahr von oben
Meike Schubert kann auch von diesem Austausch berichten. Sie abeitet für das Military Counseling Network, das amerikanische Armeemitarbeiter beim Ausstieg aus dem Militär berät. Seit Beginn des Irakkriegs 2003 hat sie hunderten Menschen geholfen.
Es ist die einzige Organisation, die so eine Beratung außerhalb der USA anbietet. Der Andrang sei entsprechend groß. „Trotzdem muss man sagen, dass es den Mitarbeitern der Airforce generell besser geht als anderen“. Hier in der Region habe sie deswegen auch hauptsächlich mit Familien zu tun.
Wolfgang Jung ist Friedensaktivist und sammelt seit vielen Jahren Informationen zur Airbase Ramstein. Er weist darauf hin, dass die hier stationierten Flugzeuge sehr alt und riskant seien. Hinzukommt, dass sie mit dem gefährlichen und gesundheitsschädlichen Treibstoff JP8 betankt werden.
„Stellen Sie sich einmal vor, so ein Flugzeug stürzt ab und landet in einem der Munitionslager auf der Airbase“, spricht er das Publikums an. Um ihn herum herrscht zunächst betretenes Schweigen, dann Applaus.
Ein emotionales Thema
Warum sollte man hier also wohnen bleiben, fragt Tobias Schulze. Für Ralf Hechler, den Bürgermeister der Region, ist es wichtig, dass man differenziert. Zum ersten Mal an diesem Abend wird deutlich, wie emotional die Debatte ist. Ihn stört es vor allem, dass die Region immer wieder durch den Dreck gezogen wird.
„Manche Menschen wissen gar nicht, dass Ramstein auch ein Ort ist“, ruft er in die Runde. Viele Zuschauer nicken. Er erinnert an die hohen Investitionen in die Trinkwasserbereinigung, die erfolgreiche Integration von Flüchtlingen. „Warum schreiben sie in der LUFTPOST nicht darüber?“, fragt er Wolfgang Jung.
Kurz scheint es, also könne die Diskussion aus dem Ruder laufen. Doch nach kurzer Zeit kehrt wieder Ruhe ein. Ralf Hechler fügt noch hinzu, dass die Genehmigungen schließlich von der Bundesregierung kommen. Das Schimpfen auf die Amerikaner helfe niemandem weiter.
Im Publikum sitzt auch Konni Schmidt, Mitglied der Gruppe „Entrüstet euch“ ehemals „Stopp Ramstein“. Er ist in Miesenbach geboren, inzwischen lebt er in Kaiserslautern. „Dass jährlich 40.000 Flugzeuge über mein Haus fliegen könnte ich noch ertragen“, sagt er, „aber nicht, dass wir zehn Minuten nach dem Beginn eines Kriegs alle tot wären. Dann hilft mir das ganze Geld für die Verteidigung überhaupt nichts.“ Auch er erntet Beifall aus dem Publikum. Man müsse endlich darüber reden, wie eine wirtschaftliche Umorientierung für die Region aussehen könnte. Konkrete Ideen für eine Konversion gebe es immer noch nicht.
Das Grundgesetz gelte für alle
„Ich möchte eine Brücke schlagen“, sagt Jochen Marwede, auch Mitglied der Grünen. Man müsse klarmachen, dass die Amerikaner und Angehörige anderer Nationen hier als Menschen, Nachbarn und Gäste willkommen seien. Auch halte er die NATO in ihrer Funktion als Verteidigungsbündnis für eine sinnvolle Einrichtung. „Aber alle völkerrechtswidrigen Aktionen – insbesondere die Drohnenangriffe – müssen abgestellt werden“, sagt er. Das Grundgesetz gelte hier für alle. Außerdem solle man die wirtschaftliche Abhängigkeit vom Militär abbauen. Stattdessen solle man mehr von den amerikanischen Kontakten profitieren, um die Konversion von militärischen Liegenschaften voranzutreiben.
Gibt es eine wirtschaftliche Abhängigkeit? Eine Frage, bei der es gegensätzliche Meinungen gibt. Meike Schubert glaubt nicht daran. „Das wird uns vorgemacht“, sagt sie. Inzwischen gebe es einen Einstellungsstopp im amerikanischen Militär und die Militärangehörigen würden viel schlechter verdienen als früher – insbesondere die der restlichen NATO-Mitglieder. Das Geld komme inzwischen größtenteils vom deutschen Steuerzahler. „Die Amis sind pleite.“
Ralf Hechler sieht das anders. „Ich bin nicht hier, um die Amerikaner heilig zu sprechen“, sagt er. Aber es gebe immer noch über 5.000 Einheimische, die bei der Airbase angestellt sind. Außerdem würden Amerikaner genauso öffentliche Verkehrsmittel nutzen wie Deutsche. Man habe sich das hier nicht ausgesucht, aber man habe sich arrangiert mit der Situation. „Leider!“, hallt es aus dem Saal.
Doch es gibt auch Mitgefühl für den Bürgermeister. „Ich weiß, dass Sie in der Zwickmühle sind“, sagt Frau Jung aus dem Publikum. Die Kritik sei nicht gegen ihn persönlich gerichtet. Trotzdem: So könne es nicht weitergehen.
Die Jungend scheint offener
Viele Zuschauer starren ins Leere. Es herrscht Ratlosigkeit. Das große Problem: Die Entscheidungen werden nicht vor Ort getroffen. Sie kommen aus Washington, Berlin oder Brüssel. Der Einfluss darauf ist minimal. „Wir müssen das als Ehrenamtliche ausbaden“, sagt Freia Klein-Jung in Richtung Ralf Hechler. Gespalten seien nicht die Menschen in der Region, sondern „wir und die große Politik."
Und was sagen die Jungen? „Ich glaube, wir bleiben alle hier“, sagt ein junger Mann, „ich lebe gern mit den Amerikanern zusammen.“ Ein junge Frau meldet sich zu Wort. Sie sei auch antimilitaristisch eingestellt und hätte trotzdem viele Kontakte zu Amerikanern.
„Wir können das nur gemeinsam schaffen“, sagt eine andere Zuschauerin. Sie reicht einen Holzstab mit dem Gewicht eines russischen Gewehrs aus dem 2. Weltkrieg durch die Reihen. Man müsse sich an die Geschichte erinnern. An dem Stab klebt ein Zettel mit der Aufschrift „Widerstand ist Pflicht.“
Fast alle im Raum wünschen sich, dass der Gesprächsfaden weiter bestehen bleibt. Denn verändern wollen sie alle etwas. Initiativen gibt es genug. Wichtig ist, dass sie gehört werden. Auch von den Entscheidungsträgern in Washington und Berlin.
Korrektur: Das Zitat von Jochen Marwede wurde verkürzt wiedergegeben. Wir haben daher die entsprechenden Stellen korrigiert.