US-Forscher reagieren auf Klimawandel: CO2 wieder einfangen
Ein US-Forscher will das Klimagas CO2 aus der Luft filtern und im Erdinnern lagern. Das wird nicht nur viel kosten, sondern auch ordentlich Energie benötigen.
Wenn es um den Kampf gegen den Klimawandel geht, dann scheinen sich die Wissenschaftler in zwei große Lager zu spalten. Ein Teil der Forscher zählt zu den Idealisten, die mit ihren Arbeiten auch die Konsumgewohnheiten der Menschen in Frage stellen. Auf der anderen Seite stehen Leute wie Klaus Lackner. Geht es nach dem Geophysiker an der US-Universität Columbia, dann ist der steigende Energiehunger der Menschheit nicht das zentrale Problem. Die Frage sei eher: Wohin mit den vielen Treibhausgasen? Pragmatische Sätze wie folgender machen deshalb bei Lackner Schule: "Wenn wir unsere Autos schon mit Benzin betanken, dann sollen sie wenigstens kein Kohlendioxid in die Luft blasen."
Lackners Vision: Wenn die Bäume der Erde nicht genug Treibhausgas durch Photosynthese aus der Luft filtern, dann müssen die Menschen einfach bessere Bäume produzieren - Geräte, die das CO2 aus der Luft abscheiden und in unterirdische Lager leiten. Wo das Kohlendioxid auf der Welt entsteht, würde dabei keine Rolle spielen. Schließlich halten sich Klimagase nicht an Landesgrenzen. Das Kohlendioxid könnte da gesammelt werden, wo es sich am besten unter der Erde speichern lässt. Das Umweltprogramm der Vereinten Nationen hat diesen Ansatz sogar in sein aktuelles Jahrbuch als Möglichkeit für die Minderung des Treibhauseffekts aufgenommen.
Die als "Air Capture" bezeichnete Idee, die der gebürtig deutsche Wissenschaftler Lackner zusammen mit dem Unternehmen GRT aus der südlichen US-Stadt Tucson umsetzen will, könnte so aussehen: An einem röhrenförmigen, bis zu 15 Meter hohen Turm wird das Treibhausgas CO2 innen durch eine Art von Vorhängen aus der Luft gefiltert. Aus welchem Material die Stoffe bestehen, will Lackner aus Rücksicht auf GRT nicht verraten. Das klimaverändernde Gas soll aber daran hängen bleiben und könnte dann mit einer Waschlösung abgetrennt werden. Durch Wärme würde das Kohlendioxid schließlich wieder in einen gasförmigen Zustand gebracht und könnte in den Untergrund gepumpt werden, etwa in Basaltschichten, von denen es beispielsweise auf Island viele gibt. Diese könnten das Gas langfristig und gefahrlos speichern, hofft Lackner.
"Die Technologie wäre ungefähr tausendmal so effizient wie ein realer Baum", prophezeit der Physiker. Jede Anlage könne allein eine Tonne CO2 pro Tag filtern. Versuche haben bereits erwiesen, dass das Verfahren grundsätzlich funktioniert. Bei den Dimensionen, um die es im globalen Klimaschutz geht, ist die Saugwirkung der künstlichen Bäume jedoch recht bescheiden. Laut Statistischem Bundesamt hat die Weltbevölkerung im Jahr 2004 rund 26,6 Milliarden Tonnen CO2 erzeugt. Drei Millionen der Anlagen würden gerade mal eine Milliarde Tonnen aus der Luft filtern. "Sicher, das ist aufwendig. Aber am Ende kommt es doch darauf an, das CO2-Problem zu lösen", sagt Lackner.
Wo die "Wälder" errichtet werden könnten und wer sie finanzieren soll, steht noch in den Sternen. Auch ist unklar, wie teuer das Ganze wird. Lackner rechnet mit Kosten für die Abtrennung von 20 bis 33 Euro pro Tonne - auf lange Sicht. Wie vage solche Zahlen sind, zeigt die Schätzung des Geophysikers David Keith, der ein ähnliches System an der Calgary-Universität in Kanada getestet hat. Er wäre schon froh, wenn die Kosten auf rund 200 Dollar (133 Euro) pro Tonne gedrückt werden könnten.
Denn CO2 aus der Umgebungsluft zu filtern, ist aus mehreren Gründen sehr aufwendig. Im Vergleich etwa zum Rauchgas in einem Kohlekraftwerk, in dem rund 15 Prozent Kohlendioxid stecken, sind es in der Luft nur rund 0,04 Prozent. Um große Mengen abzutrennen, müsste zudem ein Unterdruck erzeugt werden, damit die Luft schneller an den Auffangnetzen vorbeizieht und so mehr Gas auf einmal abgeschieden werden kann. Eines der größten Probleme stellt aber die Waschlöschung dar, die das CO2 aufnehmen soll. Um das ungeliebte Molekül wieder davon zu trennen, braucht es viel Energie.
Skurrilerweise überlegt das Unternehmen GRT, zu diesem Zweck Gas oder Kohle zu verbrennen. Zusätzliches CO2 würde also entstehen, um genug Energie für den Trennprozess zu gewinnen. Ein Fünftel des aus der Luft gefilterten CO2 würde somit noch hinzukommen. Zudem muss das Gas noch verflüssigt werden, um es möglichst dicht gepackt in den Untergrund ableiten zu können, was ebenfalls in die Energierechnung schlägt.
"Ein zweckmäßiger Ansatz ist in diesem Verfahren nicht erkennbar", urteilt Hans Fahlenkamp vom Dortmunder Lehrstuhl für Umwelttechnik. Auch Jochen Oexmann, Ingenieur am Institut für Energietechnik der TU Hamburg-Harburg, hält den effizienten Einsatz von Air Capture für unrealistisch: "Die abgetrennten Mengen des CO2 werden so gering sein, dass es keinen Einfluss auf den globalen CO2-Haushalt haben wird."
Schon die Abtrennung des Treibhausgases aus dem Rauchgas von fossil befeuerten Kraftwerken, das 400-mal so viel CO2 enthält wie die normale Umgebungsluft, ist sehr knifflig. Drei unterschiedliche Verfahren werden derzeit entwickelt. Ab 2020, so die Schätzungen, könnten "CO2-freie" Kraftwerke gebaut werden.
Bei jedem der Vorschläge würde das Kraftwerk durch die Abtrennung Wirkungsgrade einbüßen, was bedeutet, dass zusätzlicher Brennstoff eingesetzt werden müsste, wie auch bei Air Capture. Denn im Kraftwerk muss das Kohlendioxid, zum Beispiel durch spezielle Waschmittel, getrennt, später verflüssigt und zu geeigneten unterirdischen Speichern transportiert werden. Die kalkulierten Verluste schwanken zwischen sechs und 15 Prozent-Punkten. Die Kosten liegen je nach Prognose zwischen 20 und 50 Euro pro Tonne.
Sicher ist also nur, dass CO2-Abtrennung nur mit mehr oder weniger hohem Aufwand zu haben ist. Nicht umsonst wird die CO2-Speicherung im Untergrund, etwa in ausgebeuteten Gasfeldern oder wasserführendem Sandstein, von vielen Experten lediglich als "Brückentechnologie" angesehen.
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