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Archiv-Artikel

US-ATOMWAFFEN DÜRFTEN IN EUROPA KÜNFTIG KAUM NOCH ZU HALTEN SEIN Rot-Grün ist aufgewacht

Von einem Abzug der Atomwaffen hat Struck in Ramstein nicht gesprochen, auch nicht von einem Verzicht der Bundesrepublik, US-Atomwaffen auf deutschen Tornado-Kampfflugzeugen einzusetzen. Dennoch: Gemessen an der lächerlichen Heimlichtuerei, mit der alle bisherigen Bundesregierungen nukleare Fragen behandelt haben, war Strucks gestrige Erklärung, die Stationierung von US-Atomwaffen in Deutschland innerhalb der Nato anzusprechen, geradezu revolutionär.

Das Thema war bislang tabu. Auch bei Rot-Grün. Seit Joschka Fischer in den ersten Monaten seiner Amtszeit als Außenminister bei seinem Versuch ausgebremst wurde, in der Nato wenigstens vom Ersteinsatz von Atomwaffen abzurücken, hatte sich die Bundesregierung nicht mehr an Fragen der nuklearen Bewaffnung herangewagt: mit Rücksicht auf die USA und mit Blick auf die Atomwaffenstaaten Frankreich und Großbritannien.

Auch das neueste Statement lässt noch viele Lücken zum Einlenken. Aber alles andere als eine baldige Abzugsentscheidung innerhalb der Nato wäre jetzt eine Niederlage für die Bundesregierung. Doch steht sie in dieser Frage nicht allein. In Belgien, wo ebenfalls US-Atomwaffen lagern, hat sich der Senat bereits für einen Abzug ausgesprochen. Und selbst im Washingtoner Außenministerium wird gefragt, ob die Stationierung in Europa noch lohnt. Denn sollte ein Atomwaffeneinsatz im Nahen und Mittleren Osten tatsächlich beschlossen werden, lässt sich der ebenso von den USA aus fliegen. Auch dem Pentagon ist ein stillschweigender Abzug allemal lieber als eine neue Debatte über die nukleare Erstschlagstrategie der USA.

Gleichzeitig wächst der innenpolitische Druck in Deutschland. Eine deutliche Mehrheit der Bundesbürger ist gegen eine Stationierung von Atomwaffen in Europa. Den meisten war lange Zeit nicht bewusst, dass immer noch Atomwaffen vor ihrer Haustür lagern. Die Koalition hat das Thema sehr lange entweder verschlafen oder verdrängt. Insbesondere für die Grünen ist das mehr als peinlich. Auch deshalb gibt es seit Strucks gestriger Ankündigung für Rot-Grün kein Zurück mehr. US-Atomwaffen dürften in Europa künftig kaum noch zu halten sein. ERIC CHAUVISTRÉ