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Archiv-Artikel

URTEIL IN KOPENHAGEN: DÄNEMARKS LYNNDIE ENGLAND BLEIBT STRAFFREI Menschenrechte sind relativ

Das Völkerrecht ist der Versuch, auch im Krieg ein Minimum an Humanität zu gewährleisten. „Ist man im Zweifel, wo die Grenze verläuft“, so lehrt es der Staatsanwalt Holm Frandsen dänische Soldaten, denen er die Grundlagen des Völkerrechts beibringt, „empfehle ich ihnen, sie sollten sich einfach fragen, ob sie es angebracht finden würden, selbst solch einer Behandlung ausgesetzt zu werden.“ Legt man diesen Maßstab zugrunde, dann sollten es Dänen also in Ordnung finden, von Soldaten einer Besatzungsmacht erniedrigt und gequält zu werden, eine ganze Nacht kniend verbringen zu müssen und Trinken sowie Toilettenbesuch stundenlang verweigert zu bekommen.

Solche Misshandlungen von Zivilpersonen haben sich im Lager der dänischen Armee im Irak zugetragen. Dass sie nun ohne rechtliche Konsequenzen bleiben, ist das unbefriedigende Ende eines von Anfang an unbefriedigenden Rechtsverfahrens. Dass die Übergriffe nicht von der gleichen inhumanen Qualität waren wie die in Abu Ghraib, darauf kommt es nicht an. Denn dass hier ein fundamentaler Verstoß gegen die Bestimmungen der Genfer Konvention vorlag, die „erniedrigende und inhumane“ Behandlung von Gefangenen verbietet, hat das Gericht ausdrücklich festgestellt.

Doch das dänische Militär zeigte sich davon unbeirrt. Die Misshandlung von Gefangenen, um dem „Feind“ Informationen abzuringen, wurde ausdrücklich geübt. Die Offizierin, die auf der Anklagebank landete, weil sie das Gelernte im Irak dann umsetzte, fühlte sich zu Recht als Sündenbock ausgewählt. Doch die eigentliche Schuldfrage wurde im Verfahren nie gestellt, stattdessen wurde kräftig das Recht verbogen: Den windigen Pflichtverletzungsparagrafen, auf dessen Grundlage Annemette Hommel angeklagt wurde, entschärfte man mit rückwirkender Kraft und begrenzte die soldatische Schuld nachträglich auf „schwere“ Pflichtverletzung. Aufgrund des Fehlverhaltens ihrer Vorgesetzten blieb die Angeklagte straffrei – die Vorgesetzten blieben es allerdings auch. So hebelt man Menschenrechte aus und erklärt die Genfer Konvention zu Makulatur. REINHARD WOLFF