UNVERBREMT VON EIKEN BRUHN : Hier werden Sie geordnet
Halt, keinen Schritt weiter, sagt der Ordner. „Sie können hier nur mit einem Helferausweis durch.“ Ein Presseausweis – der normalerweise der Presse ermöglicht, ihre Arbeit zu verrichten – reiche nicht, er dürfe keine Ausnahmen zulassen. Kein leider. Nun bewacht der junge Mann in Pfadfinder-Uniform nicht den heiligen Gral, sondern den Eingang zu Pausenräumen am Messezentrum – und eine Abkürzung zum Presse-Rad. Wahrscheinlich hätte auch die Lüge nicht geholfen, man plane eine Reportage über die vielen uniformierten Helfer, die vier Tage damit beschäftigt werden, an allen möglichen und unmöglichen Eingängen unautorisiertes Betreten zu verhindern.
Verboten, hier nicht, da geht’s lang: Willkommen auf der dunklen Seite des Kirchentags. Pfadfinder, die sich beim Staatsschutz erkundigen, ob man die Demonstranten nicht schon wegschaffen könne, bevor sie stören. Und sich als Mitglieder einer „Eingreiftruppe“ bezeichnen. Polizisten, die einem vorschreiben, welchen Bahnhofs-Ausgang man zu nutzen hat. Und Bahn-Mitarbeiter, die die Benutzung des Fahrstuhls verwehren. Ohne Schwerbehinderten-Ausweis keine Chance, ein kalbsgroßer Koffer zählt nicht.
Das Erschreckende an solchen Vorfällen ist nicht, dass der Versuch unternommen wird, mittels Regeln das größte Chaos zu verhindern. Sondern der sich immer wieder offenbarende Drang der Deutschen, Vorschriften zu befolgen und durchzusetzen. Ohne Sinn und Verstand.
Mit Humor hingegen lässt sich ertragen, wie die eifrigen Pfadfinder die Stadt zu der ihren erklären. So kommt auf dem Weg zum Ausgang der Ausstellung „Kunstfrühling“ – die nichts, aber auch gar nichts mit dem Kirchentag zu tun hat – ein dicklicher Mann Anfang zwanzig in Uniform heran gerollert. „Wir“, sagt er, „wir schließen jetzt“. Und wir gehorchen.