UNTER NACHBARN : Umsonst geköpft
Es klingelt zwei Mal kurz nacheinander an der Wohnungstür. Ich bin in der Küche, habe gerade gekocht. Könnte mein Nachbar sein, denke ich – ohne zu richtig zu wissen, warum. Der Gedanke macht mich gleich etwas nervös. Schließlich hatte am Vortag irgendjemand aus unserem Haus stundenlang rumgebrüllt in seiner Wohnung. Und das klang ziemlich beängstigend. Wobei meine Freundin und ich uns am Ende des Abends gesagt hatten, dass es wohl doch nicht der ältere Herr unter uns sein könnte. Der Schreihals schien doch weiter weg zu sein.
Ich gehe also zur Tür, und da steht tatsächlich der ältere Herr vom Stockwerk unter uns – und grinst. „Sie ham doch ’ne Katze, wa?“ Ich bejahe, und sofort schwenkt der Mann eine kleine Plastiktüte in meine Richtung. „Hier hamse ’n Forellenkopf. Der ist ganz frisch. Abgeschnitten bis zu Kiemen!“
„Die Katze mag doch gar keinen Fisch!“, geht es mir durch den Kopf. Doch ich traue mich nicht, das jetzt auch zu sagen. Und man kann es ja mal ausprobieren, denke ich und bedanke mich. Der ältere Herr lacht und dreht sich zur Treppe um und geht hinunter. Ich gehe ins Wohnzimmer und suche unseren alten dicken Kater. Dieser hat sich, durch das Klingeln aufgeschreckt, erst mal unterm Tisch verkrochen. „Caspi, komm jetzt, es gibt frische Forelle!“, sage ich und versuche den schwarzen Brummer in die Küche zu locken.
Eine Minute später taucht Casper dort tatsächlich auf und tapert träge auf meinen Tisch zu. Ich deute auf die Plastikschale am Boden, in den ich den Forellenkopf gelegt habe. Caspar schnuppert mehrere Sekunden. An der Plastikschale. Den Fischkopf scheint er gar nicht richtig zu sehen. Dann zieht er wieder ab. Der Fischkopf bleibt einsam zurück. Ich schüttele den Kopf, nehme den Fisch und wickele ihn ein ins Papier, ehe beides in den Müll wandert. Dann muss ich grinsen. JOHANNES KULMS