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Archiv-Artikel

UNION UND GEWERKSCHAFTEN SIND BEIDE IN DER EINSAMEN OPPOSITION Weit und breit kein Bündnispartner

Ein markiger Satz. CSU-Chef Edmund Stoiber befand gestern, dass „die Schnittmengen mit den Gewerkschaften nicht sehr groß“ seien. Am liebsten würde er sie entmachten und durch „betriebliche Bündnisse“ ersetzen. Nicht mehr die Gewerkschaften und die Arbeitgeberverbände sollen über Löhne verhandeln – sondern die Betriebsräte und die Chefs in jeder einzelnen Firma.

Dezentralisierung ist also angesagt. Diese Verherrlichung der „Kompetenz vor Ort“ erinnert an einen anderen Unionsvorschlag. CDU und CSU wollen durchsetzen, dass die Kommunen für die Langzeitarbeitslosen zuständig sind – und nicht die Bundesanstalt für Arbeit.

Auf solche Ideen kann nur eine Oppositionspartei kommen. Sie kann es sich leisten, souverän zu ignorieren, dass die Bündnispartner für ihre Lieblingsprojekte fehlen. Beispiel Langzeitarbeitslose: Die Kommunen wollen die Millionen von Langzeitarbeitslosen nicht allein betreuen. Und sie protestieren parteiübergreifend. Auch CDU-Lokalpolitiker stellen sich höchst ungern den immensen Aufwand vor, für jeden Langzeitarbeitslosen ein Beschäftigungsangebot zu erfinden.

Ähnlich realitätsfern ist die Unionsidee, die Gewerkschaften zu entmachten. Dieser Vorschlag ist zwar populär bei vielen Wählern, aber das nutzt nichts in der Sache. Sosehr es die Union bedauern mag: Die Gewerkschaften sind unentbehrlich – weil niemand sonst ihre Arbeit machen will. Die meisten Betriebsräte jedenfalls sind nicht geneigt, in die Lohnverhandlungen einzusteigen; das werden sie am Donnerstag erneut allen Fraktionsführern im Bundestag erklären. Längst hat sich herumgesprochen, dass man für Tarifverhandlungen umfangreiches juristisches Wissen braucht. Darüber verfügen aber höchstens hauptberufliche Betriebsräte in Großbetrieben.

Erneut fehlen der Union also die nötigen Bündnispartner, diesmal in den Betrieben. Da geht es ihr übrigens wie den ungeliebten Gewerkschaften, die momentan auch in einer recht einsamen Opposition verharren. Die Schnittmenge ist weit größer, als Stoiber so denkt. ULRIKE HERRMANN