UN-Konferenz zur Entwicklungsfinanzierung: Die Angst vor dem Vergessenwerden
Wie lassen sich die Millenniums- Entwicklungsziele finanzieren? Schon vor der Krise floss mehr Geld aus den Entwicklungsländern ab als hinein. Was können die UN tun?
In Doha treffen ab Freitag Regierungen und zivilgesellschaftliche Gruppen aus Nord und Süd zur zweiten UN-Konferenz über Entwicklungsfinanzierung zusammen. Bislang stand Doha gewissermaßen synonym für Welthandelsrunde, denn in der Hauptstadt Katars war nämlich 2001 die aktuelle Verhandlungsrunde der Welthandelsorganisation (WTO) eingeläutet worden. Zwar firmierte die damals unter dem Namen "Entwicklungsrunde", doch viel sprang für die Entwicklungsländer dabei bisher nicht heraus. Jetzt ist das Themenspektrum breiter. Neben Entwicklung durch Handel und Entwicklungshilfezahlungen stehen auch private Investitionen, Schuldenerlass und höhere Steuereinnahmen auf der Tagesordnung ebenso wie "systemische Probleme" - gemeint ist, dass die globale Finanz- und Wirtschaftpolitik die Entwicklungsziele möglichst nicht konterkarieren soll. Nicht auf der Agenda stehen alternative Finanzierungsansätze wie etwa internationale Steuern auf Devisentransaktionen oder Kohlendioxidemissionen.
Das Treffen, das an diesem Wochenende in Doha (Katar) stattfindet, ist die zweite Konferenz zur Entwicklungsfinanzierung, die die Vereinten Nationen abhalten. Auf ihr sollen Regierungsvertreter aus Industrie- und Entwicklungsländern sowie Nichtregierungsorganisationen eine Zwischenbilanz der Beschlüsse von Monterrey ziehen. In der mexikanischen Stadt war vor sechs Jahren die erste UN-Konferenz zu dem Thema abgehalten worden. Zudem geht es um neue Instrumente zur Entwicklungsfinanzierung. Insgesamt sind 120 Staaten und rund 3.000 TeilnehmerInnen angemeldet.
Vor sechs Jahren fand eine erste Konferenz zu diesen Themen im mexikanischen Monterrey statt. Auf der Folgekonferenz soll jetzt überprüft werden, was noch zu tun ist, um die Millenniums-Entwicklungsziele - darunter die Halbierung der Zahl der Menschen, die weniger als einen Dollar am Tag verdienen, und derer, die Hunger leiden - doch noch bis zum Jahr 2015 zu erreichen. 529 Milliarden US-Dollar sind dafür laut UNO nötig. Hinzu kommen dringend nötige Investitionen in den Klimaschutz. Dummerweise zahlt der Süden pro Jahr 540 Milliarden Dollar allein an Zins- und Tilgungszahlungen für seine Auslandschulden an den Norden, rechnet die Entschuldungsinitiative Eurodad vor. 35 Milliarden davon kommen von den besonders armen Ländern.
Und die Lage ist nicht gerade einfacher geworden. Die Lebensmittelpreise sind in die Höhe geschossen. Ein Abschluss der Welthandelsgespräche und damit eine Öffnung der Märkte des Nordens ist in weite Ferne gerückt. Die Konjunktur bricht weltweit ein, worunter die Volkswirtschaften des Südens besonders leiden dürften. Die Industrieländer sind derweil wegen der Finanzkrise in erster Linie mit sich selber beschäftigt.
Aus dem Ziel, 0,7 Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts (BIP) für die Entwicklungszusammenarbeit aufwenden, wird wahrscheinlich nichts. In den vergangenen zwei Jahren war der Trend sogar eher rückläufig. Eurodad-Berechnungen zufolge erhalten die Entwicklungsländer im Schnitt 84 Milliarden Dollar Entwicklungshilfe pro Jahr, halb so viel wie die Überweisungen von MigrantInnen nach Hause. Rechnet man noch Kredite und Auslandsinvestitionen hinzu, fließen jährlich 857 Milliarden Dollar in den Süden. Dem stehen allerdings Abflüsse in Höhe von 1205 Milliarden Dollar gegenüber: durch Schuldendienst, Gewinnabführung von Auslandsinvestoren sowie illegitime Abflüsse durch Korruption, Veruntreuung oder Steuerflucht. Gerade bei der Bekämpfung der Steuer- und Kapitalflucht, die ein entscheidender Beitrag dazu wäre, dass die Entwicklungsländer finanziell auf eigenen Beinen stehen können, ist bisher wenig passiert. Schließlich profitieren die Finanzzentren ebenso wie die Konzerne des Nordens ganz erheblich davon. Auf 500 Milliarden US-Dollar pro Jahr schätzt der Steuerexperte Raymond Baker vom Washingtoner Center for International Policy diese Abflüsse.
Was auf der Konferenz erreicht werden müsste, haben die zivilgesellschaftlichen Gruppen vorab zusammengestellt: die versprochene Entwicklungshilfe in Höhe von 0,7 Prozent des BIP etwa, Bekämpfung der Steueroasen, umfassender Schuldenerlass und außerdem mehr Frauenförderung und Klimaschutz. "Wir haben große Befürchtungen, dass es nicht zu einem Erfolg kommt", sagt jedoch die stellvertretende Vorsitzende des entwicklungspolitischen Verbands VENRO, Christa Randzio-Plath. "Die Banken werden mit Billionen gerettet, und für die Bekämpfung der Armut sind nicht einmal zehn Prozent davon vorhanden." Die USA haben sich mit Kanada, Japan und einigen anderen Ländern zu einer Blockadeallianz zusammengeschlossen, und bei den Steuerfragen herrscht nicht mal innerhalb der EU Einigkeit.
Ein bloßes Wachstum der Kapitalflüsse führe aber ohnehin nicht notwendigerweise zu einem Wachstum für die Armen, erklärt Rainer Falk, Herausgeber des Informationsbriefs Weltwirtschaft & Entwicklung. Wichtiger noch als höhere Entwicklungshilfe wäre ein umfassenderer Wandel des globalen Wirtschafts- und Finanzsystems. "Gerade das ist die vielleicht wichtigste Chance der Doha-Konferenz", meint Falk.
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