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UN-Intervention in LibyenOperation "Unified Protector" läuft

97 Einsätze will die internationale Militärallianz gegen Gaddafi geflogen haben. Doch der Potentat will kämpfen, so lange es dauert. Umkämpft ist vor allem die Stadt Misurata.

Auch dieses Schiff soll vor Libyen patrouillieren. Bild: dapd

TRIPOLIS/BRÜSSEL/ADSCHDABIJA afp/dpa/dapd/rtr | Die internationale Militärallianz hat seit Dienstag fast hundert Lufteinsätze gegen Ziele in Libyen geflogen. In den vergangenen 24 Stunden seien bei 97 Einsätzen Kommandozentralen Gaddafis, Luftabwehrstellungen und Panzer attackiert worden, sagte ein Sprecher der US-Marine an Bord des Kommandoschiffes "USS Mount Whitney" am Mittwochmittag der Nachrichtenagentur AFP.

Allerdings haben sich die 28 Nato-Staaten noch nicht darüber geeinigt, ob das Nordatlantische Bündnis die Flugverbotszone über Libyen überwachen soll. "Die Verbündeten setzen ihre Beratungen fort. Es ist noch keine Entscheidung gefallen", sagte Nato-Sprecherin Oana Lungescu am Mittwoch in Brüssel. Die Diskussionen würden "in konstruktivem Geist" geführt.

Die Botschafter der Nato-Staaten versuchen bereits seit Samstag, sich über die Rolle der Allianz in dem Konflikt zu einigen. Frankreich lehnt eine Führungsrolle der Nato ab und will, dass die Kommandostruktur des Bündnisses lediglich zur Unterstützung der bereits im Einsatz befindlichen "Koalition" genutzt wird.

Diese wird von Frankreich, den USA und Großbritannien geführt. Die USA wollen eine "Schlüsselrolle" für die Nato. Der britische Premier David Cameron kündigte mehr Hilfe aus der arabischen Welt für den Einsatz der Alliierten in Libyen an. Katar habe bereits Flugzeuge geschickt, Jordanien und Kuwait würden "logistische Beiträge" leisten, so Cameron in London.

Mit der Durchsetzung des UN-Waffenembargos auf See hat die Nato am Mittwoch begonnen. Wie der kanadische Brigadegeneral Pierre St. Amand in Brüssel mitteilte, ist die Operation "Unified Protector" angelaufen. Zunächst sechs Kriegsschiffe patrouillieren vor der libyschen Küste. Weitere 16 Schiffe seien dem Bündnis von den Mitgliedstaaten angeboten worden.

Die Türkei, das einzige muslimische Nato-Mitglied, sei "integraler Bestandteil der Seeblockade", sagte St. Amand. Deutschland zog nach der Entscheidung der Nato, das UN-Embargo gegen Libyen durchzusetzen, seine Streitkräfte aus der Mittelmeerregion zurück.

Unklare Situation in Misurata

Trotz der ständigen Angriffe der internationalen Streitmacht gibt sich Gaddafi weiter siegessicher. In einer vom staatlichen Fernsehen übertragenen Rede versprach er am Dienstagabend, die Angreifer zurückzuschlagen. "Wir werden nicht aufgeben. Wir lassen uns nicht terrorisieren. Wir werden sie auf jeden Fall besiegen, über kurz oder lang", sagte er in der schwer beschädigten Kommandozentrale in Tripolis.

Über den Fortgang der Kämpfe gab es am Mittwoch widersprüchliche Angaben. Laut Nachrichtenagentur dapd zwangen die Luftangriffe der Koalition die libyschen Regierungstruppen, sich aus der Stadt Misurata zurückzuziehen. Danach berichteten Augenzeugen in der Stadt, Bomben hätten die Luftfahrtakademie, ein Gelände neben dem Krankenhaus sowie etliche Panzer getroffen. Andere Panzer seien auf dem Rückzug und würden vor den alliierten Bombenangriffen fliehen.

Dpa berichtete dagegen, Teile von Misurata seien an das Gaddafi-treue Militär gefallen. Laut derselben Agentur kam auch die Offensive der Rebellen bei Adschdabija, 160 Kilometer südlich von Bengasi, ins Stocken. Wie ein Al-Dschasira-Reporter aus dem Frontgebiet Adschdabija berichtete, sind die Aufständischen den Gaddafi-Truppen unterlegen. Ihre Freischärlertrupps verfügten weder über ausreichende Feuerkraft noch Kommunikationsmöglichkeiten oder die nötige militärische Organisation.

Unterdessen dreht die Europäische Union dem libyschen Machthaber weiter den Geldhahn zu. Die 27 Mitgliedstaaten beschlossen weitere Sanktionen gegen libysche Unternehmen, darunter die staatliche libysche Ölfirma NOC, wie der Rat der Europäischen Union am Mittwoch in Brüssel mitteilte. Die Strafmaßnahmen treffen auch Tochterfirmen des Staatsunternehmens.

Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) hatte sich in den vergangenen Tagen wiederholt für ein umfassendes Ölembargo gegen Libyen ausgesprochen, damit keine Erlöse mehr nach Tripolis fließen können. Zwar sind die Öllieferungen aus dem nordafrikanischen Land fast zum Erliegen gekommen, aber nach Angaben von EU-Diplomaten sind immer noch Zahlungen für bereits geliefertes Öl möglich. Das US-Finanzministerium hatte am Dienstag 14 libysche Unternehmen mit Sanktionen belegt.

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6 Kommentare

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  • B
    bad_smell

    Eine Flugverbotszone über Libyen wollte er einrichten, der freie Westen. Er darf natürlich fliegen, und das nutzt er, um alles in Schutt und Asche zu bomben, was ihm gerade in den Sinn kommt.

    Ich schäme mich, ein Bürger des freien und demokratischen Westens zu sein.

  • TS
    Thomas Sochart

    Aus westlicher Sicht würde ich Gaddafi als König von Libyen bezeichnen und so sollte man ihn auch respektieren.

     

    Die Könige in Europa haben ihre Macht Stück für Stück an die Parlamente abgegeben. Ähnliches wird in Libyen auch passieren. Wir brauchen jemanden, der mit Gaddafi menschlich, vertrauensvoll, zuverlässig, selbstbewusst und auf Augenhöhe reden kann. Das ist Westerwelle.

  • VG
    Vera Gehlkiel

    Das diesmal gelingt, was in etwa in

    Afghanistan noch schieflief, nämlich,

    eine Eskalation des Konfliktes zu vermeiden,

    kann auch mit der veränderten Haltung der Vereinigten Staaten und insbesondere dem

    Verzicht auf waffenklirrendes Leadership zusammenhängen.

     

    Man muss differenzieren, und ich selbst

    bin der Ansicht von Fischer und Cohn-Bendit,

    das eine Intervention hier Sinn macht und auch moralisch legitimiert und humanitär erforderlich ist, da die Ausgangslage Bezüge zu dem Geschehen nach dem Ende Jugoslawiens aufweist, und ein Zusehen beim Abschlachten einer oppositionellen Masse von Menschen keine Alternative darstellt,

    die man als gerechtfertigt durch Friedfertigkeit

    oder geleitet von Vernunft bezeichnen kann.

     

    Sollte Gaddafi das gewinnen, wird er Vorbild

    sein für Despoten weltweit und insbesondere

    in dieser Region, sich durch Brutalität über

    Wasser zu halten. Wenn die "Allianz" aber schafft,

    das Gaddafi einen Waffenstillstand einhalten muß,

    ist er automatisch erledigt, jedenfalls im Bezug

    auf seine Vorbildfunktion für andere Despoten.

     

    Die Haltung der Bundesregierung, an die sich

    ja seltsamer Weise u.a.die Linke angeschlossen

    zu haben scheint, sodaß man Westerwelle für sein Besonnenheit jetzt lobt, ist mir unverständlich.

     

    Wenn man einen innerlibyschen Konflikt voraussetzt,

    wie etwa der Juraprofessor Reinhard Merkel (für

    wen immer der jetzt arbeitet oder nicht), und

    wenn man daraus ableitet, eine Einmischung sei nicht legitim, da Kriterium des Verbrechens gegen

    die Menschlichkeit unerfüllt, dann kann man nicht

    gleichzeitig eine Abdankung Gaddafis einfordern

    und Embargos und Sanktionen mittragen.

     

    Reinhard Merkel forderte im Fernsehen für den Eskalationsfall (wann auch immer dieser dann gegeben sei) sogar eine unmittelbare Intervention von Bodentruppen.

     

    Der Verteidigungsminister hat es im Fernsehinterview

    ja gesagt: sie glauben nicht, das es Erfolg hat mit

    der Flugverbotszone. Sie setzen also auf Gaddafi,

    der de facto ohne diese Flugverbotszone wohl bereits

    gewonnen hätte. Klar wird das, wenn es so kommt, den

    Benzinpreis vor irgend einer Wahl wieder um 20 Cent drücken.

     

    Ich glaube aber, das die Menschen, selbst hier

    bei uns, im Grunde moralischer sind als diese

    sie als Stimmvieh vereinnehmenden Regierungen unterstellen. Sie merken, wie erregend das

    Wirkliche ist, was sich in Nordafrika abspielt.

    Sie merken, das die ganzen fundamentalistischen Planspiele am Reissbrett obsolet sein könnten,

    und das ein Freak wie Gaddafi womöglich ein Relikt aus einer Zeit ist, die tatsächlich zuende gehen könnte.

     

    Letztendlich könnte es sogar sein, das Obama/Clinton

    eine Zeitenwende der amerikanischen Aussenpolitik,

    basiert auf echter Kooperation und unter Verzicht

    auf permanente Demonstration von Stärke im Hinblick

    auf das einfache, ungebrochene amerikanische

    Selbstverständnis, gelingt, eine Fortschreibung

    dessen, was durch Clinton/Albright begonnen wurde.

     

    Leider zeigt sich wieder mal alles, was sich in

    Deutschland als links der Mitte definiert, zum

    Grossteil verstrickt in lustvolle Ersatzhandlungen

    der Selbstzerfleischung, und in einigen Blogs

    (siehe Uwe Ness/der Freitag)wird der "grüne Diktator" Gaddafi unversehens durch den "grünen Diktator" Fischer ausgetauscht, und man meint, Cohn-Bendit sei eigentlich derjenige der einen blutigen Militärputsch gegen friedliche Nordafrikaner angezettelt habe.

     

    So bleibt den deutschen Menschen wieder mal

    nicht viel mehr als die Position der Mutti,

    die für unsere Benzinpreise kämpft und gemeinsam

    mit Westerwelle dafür, das wir freien Handel

    mit Libyen haben werden, egal, wer dort regiert,

    und man wäre doch froh als Angehöriger des

    deutschen Sprachraumes, wäre man wenigstens

    Schweizer.

  • F
    Frager

    Mich würde mal unabhängig vom hier behandelten Thema interessieren, ob Reuters tatsächlich mit so schlechten Bildern handelt, bei dem ein Kampfjet derart offensichtlich in ein leeres Flughafengelände eingebastelt wurde.

  • G
    gaddi

    nicht mehr lange und er ist weg. das wird sich bald wenden das ganze. wenn man die filmausschnitte seiner rede gestern ansieht, dann erkennt man das da nicht viele leute vor ihm stehen die ihm zujubeln. tripolis ist wie ausgestorben, die die gegen ihn sind bleiben einfach zu hause. auch eine form von protest. er weiß jetzt das seine tage gezählt sind.

  • KN
    Kreuzberger Nachrichtendienst Kasuppke

    Aus gut unterrichteten Kreisen wurde vernehmbar, daß der libysche Diktator per Unterhändler ein Abkommen mit der sogenannten "singenden Herrentorte" aus Mülheim an der Ruhr schloß, um ihn als Doppelgänger bei öffentlichen Auftritten einzusetzen.