ULRIKE HERRMANN ZU DEN PLÄNEN EINER EUROPÄISCHEN FINANZAUFSICHT : Von Notfall zu Notfall
In der Finanzkrise wird es zur Routine: Erneut endete ein Gipfel, ohne dass ein Ergebnis fassbar wäre. Diesmal trafen sich die EU-Finanzminister in Brüssel – und gaben bekannt, dass mit einer Einigung über eine europäische Finanzaufsicht wohl erst im September zu rechnen sei.
Noch alarmierender ist allerdings, wie sich die EU-Minister eine europäische Finanzaufsicht vorstellen: Offenbar soll sie nur „in Notfällen“ eingreifen dürfen. Für den Alltag der Banken blieben weiterhin die nationalen Aufsichtsbehörden zuständig.
Um es knapp zu machen: Eine europäische Finanzaufsicht, die nur „in Notfällen“ aktiv werden darf, ist überflüssig. Denn eine Aufsicht soll ja den Notfall verhindern – statt ihn nur zu konstatieren, nachdem er eingetreten ist. Wenn eine Bank schlingert, ist es viel zu spät. Ihre Rettung oder Abwicklung kostet dann Milliarden, wie die jetzige Finanzkrise zeigt.
Eine starke europäische Aufsicht ist aus drei Gründen nötig. Erstens: Viele Banken sind längst grenzüberschreitend tätig. Das jüngste Beispiel stammt aus Deutschland. Am Montag hat die spanische Santander die deutschen Filialen der schwedischen SEB gekauft. Zweitens: Viele Banken sind inzwischen so groß, dass ihre Bilanzsumme das Bruttoinlandsprodukt ihres Heimatstaates übertrifft. Geraten sie erneut in die Krise, könnten sie nur noch in einer konzertierten europäischen Aktion gerettet werden. Drittens: Nationale Aufsichten neigen dazu, bei der Bankenkontrolle alle Augen zuzudrücken, um den eigenen „Finanzstandort“ nicht zu gefährden.
Genau dieses kleingeistige Konkurrenzdenken hat nun wieder in Brüssel gesiegt. Also wird der „Notfall“, bei dem die europäische Aufsicht dann einspringen und Milliarden mobilisieren darf, ganz bestimmt eintreten.
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