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Archiv-Artikel

ULRICH SCHULTE ÜBER DIE VERÖFFENTLICHUNG DER WULFF-ANTWORTEN Die Gefahr der Lächerlichkeit

Die Veröffentlichung der 239 Seiten mit Antworten des Anwalts von Christian Wulff ist eine neue Absurdität in einem Schauspiel, das zunehmend an Rationalität verliert. Natürlich liefert das – von manchen Politikern und Journalisten geifernd geforderte – Konvolut keine neuen Erkenntnisse. Ebenso wäre in diesen Tagen manche vermeintliche Enthüllungsstory zur Affäre des Bundespräsidenten besser nicht gedruckt worden, weil sie sich, brisant aufgemacht, in Belanglosigkeiten verliert.

In diesen medialen Überdrehungen liegt eine ernste Gefahr. Durch sie bekommt eine ernste Affäre den Ruch des Unernsten. Viele BürgerInnen haben den Eindruck, die Medien betrieben eine Hetzjagd auf einen an sich doch netten Präsidenten. Wulff, ein schuldloses Opfer? Es wäre fatal, wenn dies am Ende hängen bliebe. Denn die relevanten Vorwürfe wiegen schwer, und Wulff hat sie nicht entkräftet.

Bei dem Privatkredit weist viel darauf hin, dass das Geld von Wulffs Unternehmerfreund Egon Geerkens stammt. Dass also die Idee, das Geld über das Konto von dessen Frau laufen zu lassen, ein Schutzkonstrukt ist. Wenn das so ist, hat Wulff im niedersächsischen Parlament gelogen. Auch beim späteren Kredit bei der BW-Bank lässt Wulffs Anwalt wichtige Fragen offen, verschleiert also, statt zu antworten. Und zuletzt: Wulffs Anrufe bei der Bild-Zeitung sind keine Petitessen, sondern Beeinflussungs-, wenn nicht Zensurversuche. Gleichzeitig wird die Aufklärung behindert, wo es nur geht, wie es die CDU-Regierung in Niedersachsen eindrucksvoll beweist.

Die Ironie: Indem die Medien mit aller Macht versuchen, immer neuen Kleinkram ans Licht zu zerren, wirken sie mit, den öffentlichen Diskurs ins Lächerliche zu ziehen. Und helfen so einem gescheiterten Präsidenten.

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