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Türkei: Verhaftungswelle in kurdischen Provinzen

Mitglied des „Vereins für Menschenrechte“ und Rechtsanwalt in Ankara verhaftet / Im Vorfeld der Regionalwahlen: 500 Personen innerhalb einer Woche in kurdischen Provinzen inhaftiert, darunter Funktionäre von Sozialdemokraten und Erdölarbeiter-Gewerkschaft /  ■  Aus Ankara Ömer Erzeren

Der 71jährige Rechtsanwalt Ibrahim Acan ist am Mittwoch in Ankara von Beamten der politischen Polizei verhaftet worden. Acan, prominentes Mitglied des „Vereins für Menschenrechte“, hatte sich als Verteidiger in politischen Prozessen einen Namen gemacht. Er wurde aufgrund des Paragraphen 312 des türkischen Strafgesetzbuches in Polizeihaft genommen und anschließend ins Zentralgefängnis Ankara überführt. Nach Auffassung des Staatsanwaltes beim Staatssicherheitsgericht soll er „die Bevölkerung zu Rachegefühlen und Feindseligkeiten provoziert“ haben.

Grund für die Verhaftung ist ein Buch des Rechtsanwalts, welches in den kommenden Tagen an die Buchhandlungen ausgeliefert werden sollte. Das Werk mit dem Titel Anklagende Verteidigung wurde im Verlag beschlagnahmt. Es handelt sich um eine Dokumentation von Verteidigungsreden politischer Gefangener in Prozessen. Wegen „kommunistischer Propaganda“ will der Staatsanwalt beim Staatssicherheitsgericht, Osman Turhan, nun Anklage nach dem berüchtigten Strafrechtsparagraphen 142 erheben. Dem Rechtsanwalt Acan drohen 15 Jahre Gefängnis. Die Anwälte Acans klagten über Mißhandlungen und Beschimpfungen, denen ihr Mandant in der Haft ausgesetzt ist. Bei der Einweisung ins Zentralgefängnis wurde dem 71jährigen der Kopf kahlgeschoren.

Unterdessen hält die Verhaftungswelle in den kurdischen Provinzen des Landes unvermindert an. Häuser von „Verdächtigen“ werden durchsucht und von Soldaten zerstört, Dorfbewohner werden kollektiv auf öffentlichen Plätzen mit Stöcken geschlagen. Dies berichtete eine vierköpfige Delegation von Abgeordneten der Sozialdemokratischen Volkspartei SHP, die sich seit gestern in der Region aufhält. Im Laufe dieser Woche sind insgesamt 500 Personen in den Provinzen Diyarbakir, Hakkari und Siirt verhaftet worden. Der Aufenthaltsort der Verhafteten wird geheimgehalten.

Unter den Verhafteten sind prominente Funktionäre der Sozialdemokraten. So gehört der Ortsvereinsvorsitzende der Stadt Batman und ehemalige Kandidat für das Abgeordnetenhaus, Salih Aktan, zu den Verhafteten. Gemeinsam mit ihm wurden der gesamte Ortsvorstand der Partei in Batman sowie der Regionalvorsitzende der Erdölarbeitergewerkschaft, Ahmet Timurtas, von Soldaten zu einem unbekannten Ort weggebracht. Der Distriktpräfekt von Batman weigert sich gegenüber den Parlamentariern, ein Gespräch mit dem inhaftierten Ortsvereinsvorsitzenden zuzulassen. „Die werden gefol tert“, so der Abgeordnete Adnan Ekmen.

Die Verhaftungswelle und die „Operationen“ der Armee liegen im Vorfeld der Regionalwahlen im März und der Tarifverhandlungen in der Erdölbranche. Die Erdölarbeiter -Gewerkschaft „Petrol Is“ hat nach der Verhaftung ihrer Funktionäre in Batman die Tarifgespräche abgebrochen. Der Vorsitzende der Sozialdemokratischen Volkspartei, Erdal Inönü, erklärte, die Repression habe das Ziel, die Stimmabgabe für die Sozialdemokraten zu verhindern.

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