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Archiv-Artikel

Tücken & Lücken (4) In-Jobs – für 1,02 Euro

Womit wir rechnen müssen. Worauf wir bestehen können. Immer mittwochs erklärt uns die Solidarische Hilfe e.V. die Tücken und Lücken von Hartz IV

Arbeitsgelegenheiten nach Paragraf 16 des Sozialgesetzbuchs II, kurz: SGB II, bisher auch unter dem Namen „Ein-Euro-Job“ oder „Prämienarbeit“ bekannt, tragen im Sozialgesetzbuch den hehren Namen „Integrationsjobs (Injobs)“. Diese Arbeitsgelegenheiten sind die „Gegenleistung“, die alle LeistungsbezieherInnen von Arbeitslosengeld II (ALG II) gemäß Paragraf 2 erbringen müssen. Damit ist das bisherige Prinzip der staatlichen Leistungsgewährung, die bei einer Notlage Hilfe – ohne Gegenleistung – gewährt, auf den Kopf gestellt.

Wer einen angebotenen InJob ablehnt, muss mit einer Kürzung des Regelsatzes von 30 Prozent rechnen. Bei wiederholter Ablehnung oder bei Abbruch eines solchen Jobs oder bei anderen Regelverstößen können erneut weitere 30 Prozent gekürzt werden.

600.000 solcher „InJob“-Arbeitsgelegenheiten sollen bundesweit entstehen, in Bremen werden rund 5.000 erwartet. Sie sollen für die Dauer von je sechs Monaten besetzt werden. Damit ist jede/r der rund 3,2 Millionen erwarteten LeistungsbezieherInnen an der Weser in kürzester Zeit einmal dran.

Die Bremer Sozialbehörde schätzt, dass fünf Prozent aller InJobber während ihrer Einsatzzeit in den ersten Arbeitsmarkt vermittelt werden können. Für alle übrigen 95 Prozent allerdings wäre so ein InJob der reine Durchlauferhitzer.

Zwar soll es Auswahlmöglichkeiten für die Betroffenen geben – sie können sich außerdem auf die angebotenen Stellen bewerben –, aber letztlich erfolgt die Zuweisung durch das System. Damit sind die tatsächlichen Auswahlmöglichkeiten eingeschränkt.

Wichtig: Die Injobs begründen kein Arbeitsverhältnis im üblichen Sinn: Urlaub wird zwar gewährt – aber ohne Bezahlung. Krankheit führt nicht zur Lohnfortzahlung, allerdings erscheinen TeilnehmerInnen von Injobs während der Tätigkeit nicht in der amtlichen Arbeitslosenstatistik. Bei einer Arbeitszeit von maximal 35 Stunden pro Woche können 155 Euro verdient werden.

Artikel 12 des Grundgesetzes hat jedoch andere Vorstellungen von bürgerlichen Rechten.

„Alle haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen.“ – „ Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht. Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulässig.“ (Unter Dienstleistungspflicht wird allgemein Wehrpflicht oder Zivildienst verstanden.)

Eine allgemeine Arbeitspflicht für Arme steht also im Widerspruch zum Grundgesetz . Bürgerliche Freiheiten können sich nicht am Geldbeutel orientieren. Einige Beratungsstellen halten Musterwidersprüche und Klagen für Betroffene bereit.