: Troma einer Kleinstadtjugend
Einflussreiche Fußnote der Splatterfilmgeschichte: Mit ihren Troma-Pictures haben Lloyd Kaufman und Michael Herz Humor im Trash abseits von Hollywood manifestiert. Jetzt widmet die Brotfabrik den bizarren Teen-Horror-Fantasien eine Retrospektive
von ANDREAS BUSCHE
Filme zu machen, die beim Zuschauer einen bleibenden Eindruck hinterlassen, etwas in ihm verändern, mit diesem Ziel hatten Lloyd Kaufman und Michael Herz 1974 Troma Entertainment gegründet. Man kann sagen, dass ihnen das gründlich gelungen ist. Auch wer noch nie einen Troma-Film gesehen hat, ist irgendwann schon mal über einen ihrer Titel gestolpert: „Class of Nuke ’Em High“ (I-III), „The Toxic Avenger“ (I-IV), „Sgt. Kabukiman NYPD“, „Bloodsucking Freaks“, „Nymphoid Barbarian in Dinosaur Hell“, „Chopper Chicks in Zombietown“ oder wenigstens „Surf Nazis must Die“. Nicht gerade der übliche Videothekenstoff, aber im Zuge der Titelexpansion auf dem Videomarkt in den Achtzigerjahren fand auch das Troma-Imperium eine Nische, die es bis heute verteidigen konnten. Troma-Filme findet man in besseren Videotheken unter „Horror“, „(S)Exploitation“ oder ganz schlicht auch unter „Kult“. Den Sprung in die großen Ketten haben sie aus nachvollziehbaren Gründen nie geschafft (aber dafür hat Kaufman seine ganz private Verschwörungstheorie …).
Im Grunde sind Kaufman und Herz trotzdem zu beneiden: Mit Kumpels rumhängen, Spaß haben, Bier trinken, einen Haufen „schlechter“ Filme drehen, noch mehr Spaß haben und dann auch noch Leute finden, die für den Scheiß genügend Geld bezahlen. Troma ist ein Phänomen aus der Ära des Bahnhofskinos, als italienische Zombie- und amerikanische Slasherfilme noch von Verleihern mit Namen wie „Jugendfilm“ in die Kinos gebracht wurden. Später wurden diese Kinos dann umfunktioniert und vor allem von den üblichen „Mantelträgern“ frequentiert. Kaufman und Herz hatten sich zu der Zeit bereits auf den Direct-to-Video-Markt konzentriert.
Heute ist Troma eine der ältesten unabhängigen Film-Companies, eine Tatsache, die Kaufman nicht ohne Stolz betont. Denn auch wenn die Keimzelle weit zurück in einem Studentenwohnheim von Yale liegt, wo Kaufman und Herz sich Anfang der Siebzigerjahre über den Weg liefen, sollte man sich von dem „Frat Boy“-Humor ihrer Filme nicht täuschen lassen. Troma ist ein professioniell durchökonomisiertes Low-Budget-Unternehmen ähnlich dem Imperium Roger Cormans, einer von Tromas ältesten Mentoren. Ihre Website www.tromaville.com sieht aus wie ein Entertainment-Portal für amerikanische Kleinstadt-Pubertanden, im Angebot befinden sich Fan-Merchandise, Soundtracks, Pin-up-Bildchen und Online-Games.
Jüngstes Projekt ist der „Troma Dance“, eine Sundance-Gegenveranstaltung in Park City, Utah, die Kaufman/Herz nach der Hollywoodinvasion der letzten Jahre für dringend nötig befanden. Gezeigt wird alles, was es nicht durch die strengen Auswahlkriterien von Sundance, Slamdance und andere parallel laufende Gegenfestivals geschafft hat – Troma sagt, es ist längst keine Frage des Geschmacks mehr. Einige ihrer Filme machen einem das schmerzlich bewusst, und selbst Kaufman kann heute auf Veröffentlichungen zurückblicken, auf die er zu Recht nicht besonders stolz ist.
Die heute in der Brotfabrik startende Troma-Retrospektive bietet einen repräsentativen Querschnitt durch die Bevölkerung von Tromaville, Kaufmans Version von Preston Sturges’ Kleinstadt-Amerika. „Toxie“, der „Toxic Avenger“, ein radioaktiver Supernerd, mit dem die Reihe losgeht, und „Sgt Kabukiman“, ein New Yorker Cop, in den der Geist eines japanischen Kabuki gefahren ist, sind zweifellos die populärsten Bewohner und selbst schon Ikonen wie Freddy Kruger oder Jason.
Fast nebenbei erklären sich Troma-Titel weitgehend von selbst, ob sie nun „Tromeo and Juliet“ oder „Redneck Zombies“ heißen. Man bekommt, wofür man zahlt. Kaufman, der einen Großteil der Troma-Klassiker selbst gedreht hat, macht gar keinen Hehl daraus, dass er ein lausiger Regisseur ist: „Ich bin wahrscheinlich nur eine Fußnote der Filmgeschichte,“ hat er einmal gesagt, „aber eine Fußnote, die großen Einfluss hatte.“
Die besten Filme in der Brotfabrik – neben Kaufmans Troma-eigenen „Rambo“-Verschnitt „Troma’s War“ und „Tromeo und Juliet“, der wohl einzigen Shakespeare-Verfilmung mit einem halben Meter langen, bezahnten Monsterschwanz – sind denn auch Lizensierungen im Geiste des Schöpfers. Zum einen „Cannibal – the Musical“ von und mit den „South Park“-Machern Trey Parker und Matt Stone sowie dem Post-Vietnam-Film „Combat Shock“ von Buddy Giovinazzo, wohl einer der deprimierendsten Filme der 80er. Beides sind auch Beispiele dafür, dass die Form den Inhalt trägt: Parkers und Stones singende Goldgräber-Kannibalen und Giovinazzos „Eraserhead“-Baby schaffen zwei dieser bleibenden Eindrücke, für die Kaufman und Herz 1974 ihr sauer verdientes Studentengeld zusammenkratzten. Ob man das jetzt mag oder nicht – es ist einfach nicht mehr wegzudenken.