Traumata eines Superpolitikers : Kommentar von Bettina Gaus
Es gibt gute Gründe, die Verteilung der Europa-Kompetenzen im Kabinett sorgfältig zu prüfen. Auf europäischer Ebene sind Innen- und Außenpolitik inzwischen eng miteinander verzahnt. Manches spräche deshalb dafür, die zentrale Zuständigkeit für die deutsche EU-Politik im Kanzleramt und nicht wie bisher im Auswärtigen Amt anzusiedeln. Auch die Frage, ob die Beihilfepolitik im Verantwortungsbereich des Wirtschaftsministeriums besser aufgehoben ist als im Finanzministerium, lohnte eine konstruktive Erörterung. Die Art und Weise, in der Edmund Stoiber jetzt um den eigenen Machtzuwachs kämpft, befördert eine solche Diskussion jedoch nicht. Sondern droht, sie dauerhaft zu verhindern.
Natürlich sind Sachfragen immer auch Personalfragen. Wenn ein Ministerium zusätzliche Kompetenzen erhält, wird einem anderen etwas weggenommen. Was dem einen sin Uhl, ist dem anderen sin Nachtigall. Es ist verständlich, dass der Behördenzuschnitt zwischen Koalitionspartnern und sogar parteiintern stets heiß umkämpft ist und nicht ausschließlich sachliche Erwägungen die Entscheidungen bestimmen.
Nicht ausschließlich. Aber Edmund Stoiber erweckt eben seit Wochen den Eindruck, dass es ihm um gar nichts anderes geht als um sich selbst – und um den klangvollen Titel des Superministers. Wenn ihm alle Kabinettskollegen und alle Journalisten fest versprechen, ihn künftig nur noch so anzusprechen, und man ihm außerdem ein hübsches, schmiedeeisernes Büroschild mit dieser Bezeichnung schenkt: ob er dann endlich Ruhe gäbe? Wahrscheinlich nicht. Er wird weiter wüten, solange ihn niemand „Herr Bundeskanzler“ nennt. Für die Behandlung von Traumata sind Koalitionsverhandlungen jedoch der falsche Ort.
Oder nicht? Personelle Querelen, persönliche Eitelkeiten und individuelle Karrierewünsche scheinen das Einzige zu sein, worüber derzeit erbittert gestritten wird. Wer den Wahlkampf wegen eines längeren Aufenthalts auf einer einsamen Insel verpasst hat, konnte in den letzten Wochen keinerlei Anhaltspunkte bekommen, worum es darin eigentlich gegangen ist. Aber vielleicht ging es ja tatsächlich vor allem um Posten.