Trassenstreit: Zeitplan für die Ostsee-Pipeline wankt
Estland lehnt eine Trasse durch seine Gewässer ab. Die alternative Streckenführung über Finnland birgt Umweltrisiken, die das Projekt verzögern könnten.
STOCKHOLM taz Die geplante Pipeline durch die Ostsee, mit der russisches Erdgas nach Deutschland transportiert werden soll, stößt auf anhaltenden Widerstand aus Estland. Das Land werde sich auch durch internationalen Druck nicht davon abringen lassen, sagte Parlamentspräsidentin Ene Ergma am Wochenende. Zugleich kritisierte sie Deutschlands Abhängigkeit von russischem Gas.
Das Nein aus Estland, das in der vergangenen Woche den Streckenverlauf von Russland nach Deutschland über estnisches Gewässer blockierte, wird die Baupläne aber nicht stoppen. "Dann müssen wir eben wieder mit der ursprünglichen Routenführung planen", so Nord-Stream-Sprecher Jens Müller. Doch das dürfte nicht einfach werden: Finnland hat dagegen ernste Bedenken erhoben. Vor Estland ist die Ostsee 30 bis 40 Meter tiefer und der Boden relativ eben - in der finnischen Zone dagegen flach und zerklüftet.
Der Pipelinebau in den finnischen Gewässern würde umfangreiche Sprengarbeiten erfordern. Je flacher das Gewässer, desto stärker die Meeresströmungen, die die aufgewühlten Bodensegmente dann weiträumig im Finnischen Meerbusen verteilen würden. Jorma Jantunen von der Umweltbehörde der Provinzverwaltung Uusimaa rechnet mit "unüberschaubaren Konsequenzen für die Fisch- und Vogelpopulation". Und auch das Umweltministerium in Helsinki machte klar, dass Nord-Stream kein grünes Licht bekommen werde, solange die offenen Umweltfragen nicht geklärt seien.
Auch an einer anderen Stelle der Trassenführung muss Nord-Stream die ursprünglichen Pläne ändern. Um ein zwischen Polen und Dänemark strittiges Meeresgebiet zu umgehen, sollen die Rohre statt östlich nun westlich der Insel Bornholm und näher der schwedischen Küste verlegt werden. Hiergegen wehren sich aber schwedische Fischer, die eine Zerstörung ihrer Fischgründe befürchten.
Schon wegen des massiven Drucks, dem man sich für diesen Fall aus Deutschland und vermutlich auch aus Brüssel ausgesetzt sehen würde, dürften letztendlich weder Finnland noch Schweden versuchen, den Bau gänzlich zu stoppen. Doch sie können die Bedenken der Umweltschützer, Meeresbiologen, Fischer und Militärs auch nicht einfach ignorieren. Deshalb werden sie Nachbesserungen und Alternativpläne einfordern, was den ursprünglich für Mitte 2008 geplanten Pipeline-Baubeginn erheblich verzögern könnte.
Und eine Finanzanalyse warnt Investoren, dass das Projekt ein schlechtes Geschäft sei: Der westeuropäische Gasbedarf verspreche bis zum Jahre 2030 durch alternative Energiequellen und Einsparungen fast 40 Prozent niedriger zu sein, als er noch vor zwei Jahren bei der Unterschrift der Verträge im Beisein von Wladimir Putin und Gerhard Schröder kalkuliert wurde.
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