Trans Athletinnen im Sport: Olympia wird cis
Trans Frauen wird die Teilnahme an Olympia erschwert. Das IOC spricht von Diversität und überlässt die Entscheidung den Sportverbänden.
Bei den Olympischen Sommerspielen 2021 in Tokio wurde Laurel Hubbard noch groß gefeiert. Als erste trans Gewichtheberin, die sich für Olympia qualifiziert hatte, galt sie als Zeichen für mehr Diversität im Profisport. Bei den Olympischen Sommerspielen 2024 in Paris wäre Hubbard bei gleichbleibender Leistung wohl nicht mehr dabei.
Auch die französische Sprinterin Halba Diouf darf wohl trotz ambitionierter Vorbereitung dieses Jahr nicht beim olympischen 200-Meter-Rennen der Frauen in Paris antreten. Und auch Lia Thomas, US-amerikanische Profischwimmerin, hat keine Möglichkeit, an dem olympischen Wettbewerb 2024 teilzunehmen. Beide sind trans Frauen, und die Teilnahmebedingungen für trans Sportlerinnen wurden in vielen Disziplinen deutlich verschärft.
In der Debatte stehen sich schon lange sportliche Fairness und Diversität gegenüber. Beides Werte, die laut Internationalem Olympischen Komitee (IOC) zu den grundlegenden olympischen Werten zählen und doch scheinbar schwierig zusammenzubringen sind.
Erst vor gerade mal 20 Jahren erlaubte das IOC, dass trans Personen überhaupt an den Olympischen Spielen teilnehmen durften. Schon damals waren die jeweiligen Sportverbände für die endgültige Entscheidung und Regelungen bezüglich der Teilnahme von trans Personen verantwortlich. Ab 2015 gab das IOC als Orientierung vor, dass die Transition der trans Athletinnen – denn vor allem bei trans Frauen sieht man die sportliche Fairness im Wettkampf bedroht – mindestens vier Jahre zurückliegen sollte sowie der Testosterongehalt im Blut in den zwölf Monaten vor einem Wettkampf unter einem bestimmten Wert sein.
Transition vor 12
Diese Regelung wurde 2021 aufgehoben. Das olympische Komitee erließ daraufhin eine Rahmenrichtlinie – eine Art Zehn-Punkte-Plan, der nun gleichzeitig von Fairness, Menschenrechten und Diversität sprach und letzten Endes die Entscheidung bis heute komplett den internationalen Sportverbänden überlässt. Die einzelnen Sportarten, ja gar Disziplinen, seien viel zu unterschiedlich, um eine grundlegende Regel aufstellen zu können, so das IOC.
Damit liegt die Entscheidungshoheit also bei den Verbänden. Und die entscheiden radikal: Bereits 2022 beschloss der internationale Schwimmverband World Aquatics, dass nur trans Frauen an Profiwettkämpfen teilnehmen dürfen, die nachweisbar „keinen Teil der männlichen Pubertät über das Tanner-Stadium 2 (Einteilung von körperlichen Entwicklungsmerkmalen während der Pubertät; d. Red.) hinaus oder vor dem Alter von zwölf Jahren erlebt haben“; zudem muss deren Testosteronwert konstant unter dem Grenzwert von 2,5 Nanomol pro Liter Blut liegen. Das heißt, dass ihre Transition vor Eintritt der Pubertät hätte stattfinden müssen und der Testosteronspiegel dauerhaft dem einer durchschnittlichen cis Frau ähnelt.
Das sind Bedingungen, die kaum eine trans Person erfüllen wird. In Deutschland ist eine geschlechtsangleichende Hormontherapie mit Einverständnis der Erziehungsberechtigten – abgesehen von Ausnahmefällen – erst ab einem Alter von etwa 16 Jahren möglich. Schwimmerin Lia Thomas begann ihre erst mit Anfang 20.
Wenig später beschloss auch der internationale Leichtathletikverband World Athletics: Nur wer die Transition vor Beginn der Pubertät abgeschlossen hat, darf als trans Frau an Spitzenwettkämpfen teilnehmen. Der „Schutz der weiblichen Kategorie“ stehe an erster Stelle, so ihr Präsident Sebastian Coe. Auch die Verbände für Radsport, Rugby oder Gewichtheben schlossen sich der Regelung an.
Für die Gewichtheberin Hubbard, die ihre Transition in ihren 30ern hatte, weit nach Abschluss der Pubertät, würde das nach den heutigen Regeln keine Qualifikation für Olympia mehr bedeuten. Zwar plant der Verband, eine offene Kategorie einzuführen für alle Personen, die sich nicht als cis männlich oder cis weiblich einordnen. Bei Olympia 2024 wird es diese aber nicht geben.
Auf dem Papier versucht das Internationale Olympische Komitee, die komplexe Thematik bezüglich der Teilnahme von trans Personen möglichst professionell und weltoffen anzugehen, doch letztens Endes gibt das Komitee die Verantwortung nur ab. Am Ende sind es die betroffenen Athlet:innen, die sich nicht nur ausgeschlossen fühlen, sondern bei denen ständige Regeländerungen zu Unsicherheit führen.
Die Debatte geht weiter, unter anderem auch mit der Frage nach dem Umgang mit intersexuellen Menschen. Die Verbände und selbst der IOC werden nicht darum herum kommen, über alternative Konzepte wie offene Kategorien und die Definition von Geschlecht nachzudenken.
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