■ Tour d'Europe: Links, rechts, national
Zahlen über Mitglieder und Sympathisanten terroristischer Gruppen schwanken bisweilen sehr. In Deutschland wollte Generalbundesanwalt Buback ebenso wie später sein Nachfolger Rebmann zeitweise einen „harten Kern“ von mehreren hundert, mitunter gar tausend schießbereiten RAF-Leuten und ein mehrere tausend Personen starkes Umfeld ausgemacht haben; tatsächlich reduzierten sich diese Zahlen dann auf ein knappes Hundert „Harte“ und kaum ein Tausend zur Deckung bereiter Sympathisanten. In Italien sind sich mittlerweile staatliche Stellen und Terrorismus-Experten einigermaßen einig darüber, daß der Linksterrorismus in seinen Blütezeiten auf gut tausend waffengebrauchende Personen und an die 20.000 Sympathisanten zählen konnte. Etwa 700 von ihnen sitzen derzeit rechtskräftig verurteilt ein.
Weniger erforscht ist der vor allem in Italien durch Bombenanschläge hervorgetretene Rechtsterrorismus, für dessen Taten im Gegensatz zum linken Spektrum auch kaum jemand bestraft wurde. Einigermaßen glaubwürdig scheint die Einschätzung von achtzig bis hundert Bombenlegern (die allerdings in Italien über vierhundert Tote zurückgelassen haben; der Linksterrorismus „nur“ insgesamt sechzig Opfer). Dazu kommen etwa tausend flankierende Helfer – wobei ein Großteil davon auch im staatlichen Bereich, etwa der Polizei und den Geheimdiensten, vermutet wird.
In Nordirland gibt es nach neuesten Angaben insgesamt etwa 600 Mitglieder militärischer Organisationen – die Gruppen halten sich trotz zahlreicher Beitrittswünsche klein, um Infiltrationen vorzubeugen und die Kosten gering zu halten. Das Umfeld soll aus etwa dreitausend sympathisierenden Personen bestehen. Die spanische ETA hat in ihrem militärischen Flügel an die 900 Mitglieder, von denen jedoch 600 bis 700 in den Gefängnissen des Landes oder in französischer Auslieferungshaft sitzen. Die zur Unterstützung bereiten Sympathisanten belaufen sich mittlerweile nur noch auf wenige tausend.
Die Action directe in Frankreich – deren inhaftierte Mitglieder derzeit einen Hungerstreik begonnen haben – konnte in erfolgreichsten Zeiten wohl nur auf zweihundert bis dreihundert Aktive und etwa das Fünffache an Sympathisanten zählen. Auch über Antiterrorgruppen gibt es keine genauen Daten. Am besten läßt sich Statistisches noch dort ergründen, wo es sich um sogenannte „nationalistische“ Bewegungen handelt, die man mit Militäreinsatz unterdrücken zu können glaubt. So sind in Spanien an die 12.000 Mitglieder der Guardia Civil gegen den Separatismus eingesetzt, in Irland etwa genausoviel Soldaten und britische Polizisten. In Italien wurden gegen den sizilianischen und den Südtiroler Separatismus an die 15.000 Carabinieri und Soldaten eingesetzt, während in der Zeit des Links- und Rechtsterrorismus in Sonderkommissionen nur etwa 700 arbeiteten. Am erfolgreichsten war die Antiterroreinheit des Carabinieri-Generals Carlo Alberto Dalla Chiesa, die mit nicht einmal 70 Mitarbeitern am Ende den Linksterrorismus zerschlug.W.R.
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