■ Tour d'Europe: CLT und Endemol bis zum Abwinken
Merkwürdig: Die deutschsprachigen Länder sind mit schätzungsweise 100 Millionen Menschen Europas größter Markt für TV-Produkte. Aber deutsche Fernsehproduzenten spielen in Europa kaum eine Rolle. Der Export des Sat.1- Formates „Mann-O-Mann“ ist eine Ausnahme, „Derrick“-Filme im Ausland bringen kaum Geld. In Europa heißt es, die Deutschen würden nur auf einem einzigen Feld Beachtliches leisten: Krimis und Serien, allerdings seien die zu teuer produziert. Genauso, wie die Amerikaner bei Spielfilmen und Serien führend sind und die Japaner bei den Comics, bestimmen Luxemburg und Holland die europäische Unterhaltung. Luxemburg, weil sich dort die Zentrale der CLT (Compagnie Luxembourgeoise de Télédiffusion) befindet, Holland, weil die Besitzer von Endemol, Europas größtem TV-Produzenten, dort zu Hause sind: John de Mol und Joop van den Ende.
Aus europäischer Sicht ist die Macht der CLT beängstigend: Sie ist in Deutschland an RTL Television, RTL2 und bald auch RTL Super beteiligt, in Holland an RTL4 und RTL5, in Belgien an RTLTVI, in Frankreich an RTLTV, M6 und Serie Club sowie in Luxemburg selbst an RTL.
Dazu kommen Radiosender in Frankreich (RTL Onde Longue, FUN Radio, M40), Deutschland (104,6, RTL Baden-Württemberg), Spanien (M40), Holland (RTL4 Radio), Belgien (Bel RTL), Großbritannien und Irland (Atlantic 252), Tschechien (RTL City Radio), Luxemburg (RTL Radio Letzebuerg) sowie einige europaweit abgestrahlte Programme (RTL Radio, Antenne AC, Radio Contact). Eine holländische Zeitung wundert sich: „Die Namen Berlusconi, Bertelsmann und Springer klingen niemandem fremd in den Ohren, aber über die Namen von CLT muß man erst tief nachdenken.“ Gaston Thorn? Ein luxemburgischer Expolitiker ist CLT-Direktor, aber wen kümmert das?
Schillernder sind die Gesichter von Endemol, einem der Hauptlieferanten der CLT-Familie: John de Mol (39) und Joop van den Ende (52) gelten als entgegengesetzte Charaktere, ersterer gilt als eiskalt, letzterer als Choleriker. Zusammen wollen sie „die Welt erobern“, wie die Boulevardzeitung De Telegraaf nach der Fusion jubelte. Ganz soweit ist es noch nicht, aber in Europa haben sie schon mal angefangen – Gesamtumsatz eine halbe Milliarde Mark. Interessant ist, wie kreativ die Holländer, ideal wohnend zwischen den drei Sprachgruppen Englisch, Französisch und Deutsch, die Formate auf die jeweiligen Länder zuschneiden. Die Lizenz zum Beispiel für „Traumhochzeit“ hat John de Mol in England gekauft, die Mini-Playback-Show läuft in Holland, Deutschland, Portugal, Irland. In Deutschland läuft derzeit auch „Die 100.000-Mark-Show“ und „Die Stadtklinik“. Die Sendung mit Linda de Mol, „Kinder für Kinder“, ist ebenso angekündigt wie die schon in Holland gelaufene „Surprise-Show“ (wieder mit Linda). Nicht vergessen die Sitcoms „Unter einer Decke“ und „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“ (auch in Holland) – und so weiter. Bei der Großzahl an Produktionen kann man schon mal die Übersicht verlieren. Endemol verkauft eine Serie – mit anderen Schauspielern besetzt – in einem Land gleich zweimal: „Stadtklinik“ (RTL) und „Medisch Centrum West“ (WDR) hatten verdächtig ähnliche Texte, der WDR stieg beleidigt aus.Falk Madeja
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