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Torben Becker sichtet die sozialen Bewegungen der Stadt

Was ist ein Stigma? Nach der altgriechischen Wortbedeutung handelt es sich um eine Auffälligkeit – einem Mal – das im Allgemeinen als Makel gelesen wird. Dabei sind Stigmata nicht immer direkt sichtbar oder auf Äußerliches zu reduzieren. Sie sind Benennungen gesellschaftlicher Devianz, von alldem was negativ von Normen abweicht. Stigmatisierte werden von einem Kollektiv ausgestoßen: Du gehörst nicht dazu, bleib fern, sagen sie. Aus diesem Verstoß resultieren oft soziale und ökonomische Herabwürdigungen. „Schlampe“ ist dafür ein gutes Beispiel. Mit diesem Begriff werden meistens Frauen* als unordentlich, unmoralisch oder „zu freizügig“ gebrandmarkt. Es ist ein Vorwurf, der allzu oft von Männern hervorgebracht wird. Stigmata lassen sich aber auch beeinflussen. Dossie Easton und Janet W. Hardy besetzen in ihrem Buch „Schlampen mit Moral“ den Begriff positiv. Sex und Liebe machen glücklich, deshalb sei es notwendig möglichst viel davon zu haben– frei von Stigmatisierungen. Dazu müssten Beziehungskonzepte und das gesellschaftliche Verhältnis zu Sexarbeit neu gefühlt und gedacht werden. In dieser Woche wird in verschiedenen Veranstaltungen versucht, gesellschaftlichen Stigmatisierungen etwas entgegenzusetzen und Räume abseits patriarchaler Strukturen zu etablieren.

In Potsdam wird am Donnerstag unter dem Motto „Lila statt Blau – Himmelfahrt streichen“ gegen das alljährliche Ritual besoffener Männergruppen, die mit ­einem Bollerwagen durch die Innenstädte ziehen, protestiert. Nicht nur für viele flti*-Menschen wirkt die am sogenannten Herrentag zur Schau getragenen Männlichkeits­vorstellungen abstoßend. Mit dem Protest sollen Räume für Alternativen, Bildung, Em­powerment und Feierei für alle Menschen geschaffen werden (30. 5., Bassinplatz, 11 Uhr).

Am Nachmittag wird unter dem griffigen Titel „Rauchen, saufen, Jungs* verhaun’ – Bollerwagen klaun’ und den Herrentag versaun‘“ im Garten des Clubs about blank ebenfalls gemeinsam (open for all genders) gegen die patriarchale Ausformungen zum Herrentag gefeiert (30. 5., Markgrafendamm 24c, 14 Uhr).

Am Samstag findet im Vorlauf zum Internationalen Hurentag eine Parade gegen die Stigmatisierung von ­Sexarbeit und gegen sexuelle Gewalt statt. Mit diesem Tag wird am 2. Juni an die Besetzung der Saint-Nizier-Kirche in Lyon durch Sexarbeiter*innen im Jahre 1975, welche sich so gegen Polizeigewalt und Schikanen wehrten, erinnert. Die Parade ist offen für alle Sexarbeiter*innen und ihre Unterstützer*innen (1. 6., Großgörschenstr 12–14, 13 Uhr).

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