: Töpfers Gesellenstück abgesegnet
Bonn (taz/dpa) - Das Bundeskabinett hat gestern die neue Störfallverordnung beschlossen. Die Verordnung war noch von Ex– Umweltminister Wallmann nach der Sandoz–Katastrophe initiiert worden und wurde jetzt von Nachfolger Töpfer vollendet. Die Vorschrift soll künftig schwere Chemie–Unfälle wie bei Sandoz verhindern helfen. Statt bisher 800 sollen durch die neue Verordnung 5.000 Anlagen erfaßt werden, darunter auch Chemielager und Fabriken, in denen mit gentechnisch veränderten Mikroorganismen experimentiert wird. Die Liste der erfaßten gefährlichen Stoffe werde von 145 auf 325 erweitert, die Schwelle für Störfall–Meldungen gesenkt, ein sogenannter Umwelt–TÜV für chemische Anlagen sei zudem geplant. Betreiber müßten künftig schon Störfälle melden, wenn „möglicherweise“ Gefahren für Mensch und Umwelt entstehen könnten. Außerdem gebe es jetzt eine Verpflichtung zum Führen von Stofflisten mit Mengenangaben und Lagerort, um im Brandfall eine optimale Bekämpfung zu gewährleisten. Zur Höhe der Bußgelder bei Verstößen gegen die neue Verordnung machte Töpfer keine konkreten Angaben. Die Verordnung muß noch den Bundesrat passieren. In spätestens zwei Jahren soll sie umgesetzt sein. Umweltverbände und kritische Institute hatten die Verordnung mehrfach kritisiert. Der Bund Naturschutz sprach von einem Etikettenschwindel. Katastrophen würden nicht verhindert, sondern nur verwaltet. An den Bedrohungspotentialen ändere sich rein gar nichts. Roland Fendler vom Öko–Institut Darmstadt schätzt, daß es etwa 60.000 genehmigungspflichtige Anlagen gebe, von denen jetzt etwa 5.000 erfaßt seien. Nur für wenige Lager–Einrichtungen ändere sich tatsächlich etwas. Der Begriff Störfall werde außerdem so gefaßt, daß er sich nur auf „Ereignisse in der Nähe von Katastrophen“ beziehe. Angesichts von 60.000 Umweltchemikalien und sechs Millionen chemischen Verbindungen sei die Aufnahme von 300 Stoffe in die Verordnung wenig tröstlich. Statt einer konkreten Stoffliste sollte die Toxizität zum Maßstab genommen werden. Ab einem bestimmten Gefährdungspotential müßten alle Stoffe unter die Verordnung und die Meldepflicht fallen, sagte Fendler. FORTSETZUNG VON SEITE 1
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