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Todesstrafe aufgehobenAbu-Jamal wird nicht hingerichtet

Das Urteil gegen den bekanntesten Todeszellenkandidat der USA wird abgemildert: Ein US-Gericht hebt die Todesstrafe gegen den schwarzen Bürgerrechtler Mumia Abu-Jamal auf.

Überstand bereits zwei Hinrichtungstermine: Mumia Abu-Jamal. Bild: ap

WASHINGTON afp/taz Mumia Abu-Jamal, einer der bekanntesten Gefangenen Amerikas, wird nicht hingerichtet. Das entschied am Donnerstag ein US-Berufungsgericht, dass das Todesurteil gegen den US-Journalisten aufhob. Die Verurteilung wegen Mordes an einem Polizisten wurde aber aufrecht erhalten.

Die Geschichte, um die sich der Fall Abu-Jamal seit mehr als 25 Jahren dreht ist diese: In der Nacht zum 9. Dezember 1981 hielt der schwarze Journalist und Taxifahrer Abu-Jamal seinen Wagen auf einer Straße Philadelphias an, um seinem jüngeren Bruder zu helfen, der geschlagen wurde - von dem weißen Polizisten Daniel Faulkner. Was dann folgte, bleibt wahrscheinlich für immer unklar. Abu-Jamal selbst sagt, er könne sich an nichts erinnern, weil er selbst von einer Kugel getroffen wurde. Am 3. Juli 1982 wurde Abu-Jamal des Mordes an Faulkner für schuldig befunden und zum Tode verurteilt.

Der Fall Abu-Jamal wurde in den folgenden Jahren zum Paradigma einer Anklage von Menschenrechtlern und Anwälten: Abu-Jamal sei wegen seines Engagements bei den Black Panthers verurteilt worden. Die US-Justiz sei rassistisch, mittellose Angeklagte erhielten keinen fähigen Rechtsbeistand, Indizien würden manipuliert. Daran schloss sich die Forderung nach Abschaffung der Todesstrafe an.

Zur Wiederaufnahme des Verfahrens hatte Abu-Jamal später allerdings hervorragende Anwälte. Sein Rechtsanwalt Len Weinglass aus einer berühmten New Yorker Kanzlei tourt seit vielen Jahren durch die Welt, sprach in Deutschland ebenso in Autonomen-Zentren zu Linksradikalen wie im Gebäude des Spiegel zu Journalisten. Abu-Jamal selbst veröffentlichte seit Mitte der 90er-Jahre mehrere Bücher, das bekannteste dürfte "Aus der Todeszelle" sein.

Zweimal waren bereits Hinrichtungstermine angesetzt, wurden dann aber wieder aufgeschoben - zuletzt im Jahr 1999. Im Dezember 2001 hob ein Bundesrichter in Philadelphia wegen schwerer Verfahrensfehler das Todesurteil auf. Die Staatsanwaltschaft beantragte sofort die erneute Verhängung. Mit der am Donnerstag verkündeten Entscheidung des US-Berufungsgerichts hat Staatsanwaltschaft hat nun die Möglichkeit, vor einem Geschworenengericht erneut die Todesstrafe gegen den Inhaftierten zu beantragen. Sollte sie darauf verzichten, würde Abu-Jamals Strafmaß automatisch in lebenslange Haft umgewandelt.

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3 Kommentare

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  • TT
    Tim Tom

    Die Legende vom unschuldigen Justizopfer "Mumia" ist mittlerweile derart in den Sagenschatz des weltweiten Gutmenschentums eingegangen, dass sie nie wieder als das angesehen werden wird, was sie ist: ein modernes Märchen.

  • KS
    Kurt Sonntag

    Die Todesstrafe ist eine absolute Barberei. Gerade an Mumia Abu-jamals Fall zeigt sich soviel, was in der US-Gesellschaft alls auch im Justizsystem im Argen liegt.

     

    So hatte Mumia einkommensbedingt 1982 keinerlei Möglichkeit, sich eine angemessene Verteidigung zu leisten. Ihm wurde lediglich ein unerfahrener und überforderter Pflichtverteidiger zur Seite gestellt, der ihn persönlich nicht mal verteidigen wollte. Er bat während der Verhandlung mehrfach um Enthebung, was vom Vorsitzenden Richter abgelehnt wurde.

    Selbiger Richter, übrigens Mitglied der rechtsextremen Polizeibruderschaft F.O.P. verweigerte dem Angeklagten auch finanzielle Mittel für forensische Untersuchungen. Die Polizei hatte diese schlichtweg vergessen oder "verloren". Ungleich der Behauptung einiger Bundesdeutschen Medien heute ist nie bewiesen worden, mit welcher Waffe der Polizist erschossen wurde, noch ob Mumia Abu-Jamal je selbst geschossen hat.

    Den schwerwiegensten Rechtsbruch stellte jedoch das Verhalten der Staatsanwaltschaft dar, als sie die Jury zu einem Schuldspruch trickste, indem sie nahelegte, den Angeklagten im zweifel ruhig erstmal schuldig zu sprechen. "Er habe ja noch Berufung nach Berufung". Ersten s ist das nicht wahr, wie wir gerade gestern zu sehen bekamen (Mumia Abu-jamal forderterfolglos seit 1982 ein neues Verfahren). Zweitens ist dies ein völlige Verdrehung US-amerikanischen Rechts. Ähnlich wie (noch) in diesem land gilt der Rechtsgrundsatz: In dubio pro reo - im Zweifel für den Angeklagten.

    Bereits bei der Juryauswahl hatte sich doe Staatsanwaltschaft darin ergangen, unbegründet Schwarze aus der Jury auszuschliessen. Dieses allgemein inden USA häufig beobachtete Verhalten führte erst in der letzten Woche dazu, dass der US Surpreme Court dem schwarzen Todestraktinsassen Alan Snyder ein neues Verfahren gewährte (sog. Batson Thematik). Auch in Mumia Abu-Jamals Entscheidung sag einer der drei Richter dies gegeben, allerdings seine zwei Kollegen nicht.

    Diese Entscheidung stellt ein großes Unrecht dar. Sie ist symptomatisch für die Anwendung der Todesstrafe. Seit der Verschärfung durch Bill Clinton im Jahr 1996 (ADEPA) ist es nur sehr wenigen Häftlingen gelungen, bei neuer Beweislage oder erwiesener Unschuld ein neues Verfahren oder aber einen Freispruch zu erlangen.

    Diese Tatsache wird in den USA immer bekannter und führt hoffentlich bald zur Abschaffung der Todesstrafe, die von vielen Kritikern als moderne Fortführung der Sklaverei betrachtet wird.

  • S
    Stipy

    Ein Schwarzer, der von einem weißen Polizisten angeschossen wurde, als er seinem Bruder zu Hilfe kam...

    Jaja liebe Amerikaner, was klingt plausibler: schwarze Hetzjagd auf weiße Polizisten oder gar eine Notwehrreaktion gegen heiter prügelnde Polizisten mit rassistischen Motiven?

     

    Minderwertigkeitsgefühle von Geschworenen verschwinden leider nicht durch die Schaffung einer Opfer-Ethnie.

     

    Ein schönes Zeichen für ein aufwachendes Amerika allemal und hoffentlich mit gutem Ende für Abu-Jamal.