Tim Caspar Boehme hört auf den Sound der Stadt:
Musikfest. Musikfest. Musikfest. Das musikalische Großereignis im September mag auf den ersten Blick etwas gediegen erscheinen, da es hier nichts Brandneues zu hören gibt. Doch der Ansatz, Beliebtes aus dem 19. Jahrhundert mit Bewährtem des 20. Jahrhunderts zu paaren, bedeutet mehr als Kanonpflege. Auf diese Weise kann man sich Werke vornehmen, die es nicht ständig um die Ecke zu hören gibt, und sich noch einmal die Frage stellen, was das 20. Jahrhundert eigentlich war, musikalisch gesprochen. Den Nachkriegstitanen Karlheinz Stockhausengenauer unter die Lupe zu nehmen, kann da schon mal nicht schaden. Sei es mit seinen in den fünfziger Jahren komponierten, vorwiegend seriellen Klavierstücken 1 bis 11, die der Pianist Pierre-Laurent Aimardam Donnerstag im Kammermusiksaal der Philharmonie bietet (Herbert-v.-Karajan-Str. 1, 19 Uhr, 10–35 €), mit den akustischen und elektroakustischen Kammermusikwerken „Zyklus“, „Refrain“ und „Kontakte“, die am Samstag von Aimard und Kollegen im Sendesaal des RBB geboten werden (Masurenallee 8, 19 Uhr, 12–32 €), oder der elektroakustischen Meditation „Mantra“ für zwei ringmodulatorenbewehrte Klaviere, am Montag wieder im Kammermusiksaal dargeboten von Aimard und Tamara Stefanovich(20 Uhr, 10–35 €).
Womit die hochkarätigen Darbietungen der Woche keinesfalls erschöpft wären. Am Freitag zeigt das junge Berliner Label Trouble in the East im Panda Theater in der Kulturbrauerei, was es an abenteuerlustigem Jazzverstand und -gefühl zu bieten hat. Mit viel Klavier diesmal: Vom meditativ-kühnen Duo Madness & Arrogance des Pianisten Marc Schmolling, hier am Fender Rhodes, und des Posaunisten Gerhard Gschlößl über das Trio Der lange Schatten, in dem Håvard Wiik am Klavier auf den Klarinettisten Michael Thieke und Antonio Borghini am Kontrabass trifft, bis zum Duo des Schlagzeugers Yorgos Dimitriadis und des, genau, Pianisten Achim Kaufmann. Improvisierende Entdeckergeiste allesamt (Knaackstr. 97, 20.30 Uhr, 10/15 €).
Und die Möglichkeiten, den Klang einer Trompete auf elektroakustischem Weg zu erweitern, erkundet am Samstag im Ausland das Trio Tritop, eine Allstarband der Berliner Echtzeitmusik, zu zwei Dritteln jedenfalls: Liz Allbee und Sabine Ercklentz wirken hier in der Stadt, Birgit Ulher kommt aus Hamburg. Schmetternde Fanfaren stehen kaum zu befürchten (Lychener Str. 60, 20 Uhr).
Einen Zauberer des House darf man dann am Mittwoch im Berghain erleben: Larry Heard alias Mr. Fingers ist zu Besuch und spielt zum ersten Mal live in Berlin. Eben. (Am Wriezenr Bahnhof, 21 Uhr, 29 €).
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