Tibet-Aktivisten protestieren vor Olympia: Dalai Lama in der Zwickmühle

Aktivisten protestieren am Olympia-Park, damit Tibet nicht in Vergessenheit gerät. Derweil geht der Dialog zwischen China und Tibet weiter - um westliche Kritiker ruhig zu stellen, meinen einige.

Trotz riesigem Sicherheitsaufgebot: Ein Tibet-Aktivist befestigt am Mittwoch ein Transparent mit der englischen Aufschrift "Eine Welt - ein Traum - freies Tibet". Bild: dpa

PEKING dpa Genau solche Aktionen hatte der chinesische Sicherheitsapparat verhindern wollen: Vier ausländische Tibet-Aktivisten schlüpften durch das engmaschige Sicherheitsnetz. Mit ihrem waghalsigen Protest am Olympia-Park in Peking unweit des Nationalstadions wollten sie ihrerseits verhindern, dass das Schicksal der Tibeter noch weiter in Vergessenheit gerät.

"Eine Welt, ein Traum, befreit Tibet" stand in Abwandlung des Mottos der Spiele auf einem langen weißen Banner geschrieben, das die Kletterer an einem gut 40 Meter hohen Lichtmasten anbringen konnten. Ein anderes verkündete: "Tibet wird frei sein." Es dürfte nicht die letzte Aktion gewesen sein, mit der ausländische Gruppen die Spiele als Plattform nutzen, um Druck auf Olympia-Gastgeber China auszuüben.

Die Lage in dem streng abgeschotteten Tibet, wo chinesische Sicherheitskräfte jedes Aufbegehren im Keim ersticken, war seit Wochen immer mehr in den Hintergrund gerückt. Der mit großen Hoffnungen begleitete Dialog der Unterhändler des Dalai Lama mit Vertretern der chinesischen Führung macht keine Fortschritte. Die Exiltibeter stellen den Sinn schon grundsätzlich in Frage. Eine Fortsetzung des Dialogs im Herbst macht Peking davon abhängig, ob es Störungen der Spiele - solche wie am Mittwoch - geben sollte. Obwohl die "Studenten für ein freies Tibet" dahinter steckten, wird das religiöse Oberhaupt der Tibeter persönlich verantwortlich gemacht.

Zwar genießen der Dalai Lama und das tibetische Volk im Ausland große Sympathien, doch lassen immer mehr Politiker erkennen, dass sie es sich wegen Tibet keineswegs mit Pekings Führern verscherzen wollen. Dafür ist die aufstrebende asiatische Macht zu wichtig. Von einem Boykott der Eröffnungsfeier, der bei der Niederschlagung der Proteste in Tibet gegen die chinesische Fremdherrschaft diskutiert wurde, wird heute nicht mehr geredet. Selbst Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy knickte ein. Er wird am Freitag in Peking dabei sein, obwohl seine Bedingung, der Dialog mit dem Dalai Lama müsse Fortschritte zeigen, nicht erfüllt wurde. Es gehe schließlich darum, die strategische Partnerschaft mit China zu vertiefen, ließ er nur noch mitteilen.

Und selbst wenn George W. Bush "den Mut des Dalai Lama und der Buddhisten in Tibet" ehrt, hindert ihn das nicht daran, als erster US-Präsident zu einer Olympia-Eröffnung nach Peking zu reisen und gute Beziehungen mit Chinas Führern zu pflegen. Mit ihm werden mehr als 80 Staats- und Regierungschefs in Peking erwartet.

Neben der Kooperation im Weltsicherheitsrat, den Atomkonflikten mit dem Iran und Nordkorea oder dem Handel mit der viertgrößten Wirtschaftsmacht spielen die Tibeter eben nur eine kleine Rolle. Auch beim Besuch von Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) im Juni in Peking schien das Thema Tibet immer nur dann aufzukommen, wenn Journalisten danach fragten. Dass sich Peking wieder auf den Dialog mit den Vertretern des Dalai Lama eingelassen hat, reicht westlichen Regierungen, um Tibet von der Tagesordnung zu nehmen. Die Auswüchse der "ideologischen Erziehungskampagne" in Tibet, die Verhaftungen, die beklagten Misshandlungen und hohen Haftstrafen gegen Tibeter werden heute an untergeordnete Menschenrechtsbeamte delegiert, um sie - bei Gelegenheit - mit China anzusprechen.

Die tibetischen Unterhändler beklagen, dass ihr seit 2002 erfolglos laufender Dialog mit der chinesischen Regierung nur dazu dient, westliche Kritik abzuwehren. Wie jüngst aus der chinesischen Regierung verlautete, werde sie mit dem Dalai Lama "niemals über die Zukunft Tibets verhandeln", höchstens über seine eigene Zukunft. Der Dalai Lama konterte aus dem indischen Dharamsala, es gehe nicht um seine Person, sondern "um das Wohlergehen von sechs Millionen Tibetern". Er persönlich wolle überhaupt nichts von Chinas Regierung.

Unterhändler Lodi Gyari konfrontierte seine chinesischen Gegenüber in der letzten Runde damit, "dass der Dialogprozess keinen Zweck erfüllt, wenn es auf ihrer Seite keinen ernsthaften und aufrichtigen Willen gibt". Doch steckt der Dalai Lama in der Zwickmühle, wie Diplomaten glauben. Bricht er den Dialog ab, wird er verantwortlich gemacht für den Zusammenbruch des Gesprächskanals. Macht er weiter, spielt die Zeit in die Hände der kommunistischen Führung, ohne dass sich etwas ändert. Egal wie, der Dalai Lama hat die schlechteren Karten. Mit ihrem politischen Gewicht in der Welt brauchen sich Chinas Führer nur zurückzulehnen und zu beteuern, "die Kontakte zum Dalai Lama ernsthaft zu verfolgen".

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