Thor-Steinar-Zwischenfall bei Berliner Polizei: "Die Antifa soll sich melden"
Berlins Polizeipräsident Glietsch stellt klar: Polizisten dürfen keine Kleidungsstücke von rechten Marken wie Thor Steinar tragen. Wer solche Vorfälle bemerkt, solle Meldung erstatten.
DIETER GLIETSCH, 61, ist seit 2002 Polizeipräsident in Berlin. Den 1. Mai in Kreuzberg schaut er sich live an.
Sonntag, 9. November, bei einer Demonstration "70 Jahre nach der Reichspogromnacht - Gegen Antisemitismus": Ein Polizist in Zivil trägt eine Strickjacke der bei Rechtsextremisten beliebten Marke Thor Steinar. Laut VVN-Bund der Antifaschisten stellt der Beamte die Kleidung offen zur Schau und provoziert damit Demo-Teilnehmer. Polizisten sagen dagegen aus, der Beamte sei angegriffen worden, bevor die Strickjacke mit dem Etikett zu sehen gewesen sei. Der Beamte habe sich gegen die Angriffe zur Wehr setzen müssen, dazu sei der Parka geöffnet worden. Erst dann sei das Etikett sichtbar geworden. Wegen des Angriffs auf den Beamten wird gegen Unbekannt wegen Landfriedensbruch ermittelt. Gegen den 29-jährigen Jackenträger, der behauptet, von der Bedeutung des Thor-Steinar-Logos nichts gewusst zu haben, ist ein Disziplinarverfahren wegen Verdachts der Schädigung des Ansehens der Polizei eröffnet worden.
Fotos von dem Zwischenfall finden sich auf dem Online-Portal flickr.com.
taz: Herr Glietsch, kann sich ein Polizist zu Recht darauf berufen, er wisse nicht, was die Marke Thor Steinar bedeutet?
Dieter Glietsch: Polizeibeamte sollten wissen, dass es sich um eine Modemarke handelt, die von Rechtsextremisten bevorzugt wird.
Der Zivilbeamte, der am 9. November bei einer Demonstration eine Jacke der Marke Thor Steinar trug, soll das aber behauptet haben.
Ich habe auch so etwas gehört. Der Beamte gehört zur Direktion 3, in deren Zuständigkeit sich ein heftig attackierter Laden befindet …
… der Laden am Rosa-Luxemburg-Platz, der Thor-Steinar-Klamotten verkauft.
Gerade Polizisten der Direktion 3 sollten wissen, um was es sich handelt.
Ist der Beamte vom Dienst suspendiert worden?
Die derzeitige Sach- und Rechtslage reicht dafür nicht aus. Bis zur Klärung des Vorfalls wird er aber in einem Aufgabengebiet eingesetzt, bei dem er nicht in Verlegenheit kommt, bei politischen Demonstrationen eingesetzt zu werden.
Die Antifaschistische Initiative Moabit spricht von einem rechtsradikalen Hooligan im Polizeidienst.
Dafür gibt es bisher keine Anhaltspunkte. Aber auch dieser Frage wird in dem Disziplinarverfahren nachgegangen.
Laut der Antifaschistischen Initiative sind Polizisten im Nazilook kein Einzelfall. Gerade Zivilbeamte seien wiederholt bei der Arbeit durch das Tragen von Marken wie Thor Steinar aufgefallen.
Das ist das erste Mal, dass ich das höre. Abgesehen von dem aktuellen Vorfall ist mir kein einziger Fall bekannt. Wenn so etwas behauptet wird, erwarte ich, dass man auch Butter bei die Fische tut und die Fälle benennt.
Halten Sie es für ausgeschlossen?
Ich kann mir nicht vorstellen, dass die antifaschistische Szene so etwas beobachtet, ohne aufzuschreien. Das hat sie auch - völlig zu Recht - am 9. November in dem vorliegenden Fall getan. Man hätte es auch zuvor getan, wenn man so etwas beobachtet hätte. Da bin ich mir sicher.
Was also sollte die antifaschistische Szene tun?
Wenn jemand eine solche Feststellung macht, dann sollte er uns mitteilen, wann, wo und in welcher Situation Polizisten in so einem Outfit gesehen wurden.
Wie verhält es sich bei Einsätzen gegen Rechtsextremisten - dürfen Polizisten da Naziklamotten zur Tarnung tragen?
Auf keinen Fall. Das ist genauso wenig vertretbar wie bei jeder anderen Gelegenheit auch. Es ist auch nicht erforderlich, solche Sachen zur Tarnung zu tragen.
Unabhängig von dem Disziplinarverfahren - was folgt für die Polizei aus dem Vorfall ?
Ich bin mir mit den Amts- und Direktionsleitern einig, dass wir mit den Mitarbeitern darüber sprechen müssen, wie wichtig es ist, sensibel zu sein - nicht nur bei der Kleiderauswahl.
Gilt das auch für die Freizeit?
Ich kann nicht kontrollieren, was ein Beamter in seinem Kleiderschrank hat. Aber ich dulde es nicht, wenn im Dienst oder in der Freizeit Sachen getragen werden, die in der Öffentlichkeit den Eindruck erwecken, dass der Beamte dem Rechtsextremismus nahesteht.
Gibt es einen Bodensatz von Rechtsextremismus in der Berliner Polizei?
Bodensatz klingt so, als hätten wir zig Rechtsextremisten. Ich bin mir sicher, dass das nicht der Fall ist. Einzelfällen muss konsequent begegnet werden, so wie wir es in der Vergangenheit getan haben.
Verstehen Sie die öffentliche Aufregung über den Vorfall?
Natürlich. Ich rege mich ja auch auf. Die Jüdische Gemeinde hat gesagt, das ist ein Schlag in das Gesicht der Berliner Polizei. Damit hat sie völlig recht.
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