Themenläden und andere Clubs: Ein Stück Hasch mit Armen dran
■ Karnevalsfeiern in Berlin: Männer gehen als Clark Kent oder in Ampelformation, Frauen als Britney Spears oder Alufolienrolle
Wenn man in Villabajo noch die Paellapfanne schrubbt, wird in Villariba schon weitergesoffen. Und wenn man in Berlin noch herbstlich herummuffelt, wird in allen möglichen anderen Bundesländern schon die so genannte fünfte und grässlichste Jahreszeit eingeläutet: Seit ein paar Tagen betrinken sich erwachsene Menschen wieder öffentlich am Vormittag, wenn's noch taghell ist, hüllen ihre dicken Leiber in Clownskostüme und schneiden anderen Erwachsenen die Krawattenzipfel ab – harhar.
Das klingt jetzt bestimmt etwas bitter, aber eigentlich habe ich gar nicht soviel gegen Karneval. Richtig schlimm und bis zum Umfallen peinlich ist Karneval nämlich nur in den Gegenden, wo er intensiv gefeiert wird und überall als Punker oder Raver verkleidete Provinzmäuse herumlaufen, die sich mit Kajalstiften (die kriegt man noch immer in irgendwelchen Provinz-Drogerien) „Punk Oberpfaffenhofen“ oder ähnliches auf die Wange geschmiert haben.
Ich selbst habe mich, seit ich im Karnevalhasser-Bundesland Nr. 1 wohne, sogar schon ein paar Mal bis zur Unkenntlichkeit verkleidet, um an Faschingsfeiern in meiner Stammkneipe teilzunehmen. Und die waren sehr lustig. Wir haben natürlich immer erfolglos versucht, nur Verkleidete hereinzulassen. Aber der Berliner geht ja zum Lachen und Verkleiden in den Keller, oder wie das heißt. Einmal kamen drei kneipenbekannte Säufer als Ampel, leider immer nur in der Dreierkombination als solche zu erkennen. Einer von der Punkband Terrorgruppe kam mal mit echter Narrenkappe.
Mindestens zwei fantasielose, aber stilvolle Männer kamen als Clark Kent. Und eine der Verrückten, die sonst immer mit sich selbst schimpfend an der Theke saß, ging mal als Alufolienrolle, sie sah aus wie ein großes Stück Hasch mit Armen.
Schön war auch, dass ein – im Vertrauen, eigentlich ziemlich anstrengender – junger Mann aus meinem Bekanntenkreis kurz vor der Party die letzte Verkleidung, eine Schneemannsmaske aus Gummi, ergattert hatte. Und so saß die ganze Zeit ein ganz ruhiger, trauriger Schneemann an der Theke, denn die Maske hatte nur zwei klitzekleine Nasenlöcher und keine Mundöffnung. Wenn man ganz nah an den Schneemann ranging, hörte man ihn leise etwas nuscheln (oder röcheln?) unter dem Gummi.
Hin und wieder haben ihm Barmherzige ein Getränk mit Strohhalm besorgt, den er unter der Maske am Hals entlang bis zum Mund führen konnte. Er torkelte zum Schluß ziemlich, der kleine Schneemann. Aber besagter Bekannter war nie so angenehm um sich zu haben wie an diesem Abend.
Bei der gleichen Feier habe ich übrigens als Superman verkleidet eine Büttenrede in gebrochenem Hessisch gehalten, dem drittschlimmsten Dialekt Deutschlands. Außerdem konnte ich vor drei Jahren einen kleinen befreundeten Jungen, mit dem ich immer „Star Trek“ gucke, erfolgreich zur „Kardassianisches Messerbiest“-Verkleidung überreden. Da weder er noch ich genau wussten, wie so ein Messerbiest aussieht, habe ich versucht, ein „Fantasiekostüm“ zu entwerfen, das ist viel schwieriger, als man denken sollte. Zum Schluss sah der arme Junge aus wie ein rußiger Maikäfer, und leider haben das auch alle in der Schule gemerkt. Aber sowas stählt und härtet ab. Meine Stammkneipe veranstaltet leider schon lange keine Karnevalsfeiern mehr. Es kommen eh immer viel zu wenig in Verkleidung. Aber wenn noch mal eine Party bei mir in der Nähe steigen sollte (denn als Sinti oder Roma verkleidet mit der U-Bahn zu fahren, das gefällt mir dann doch nicht), dann mach ich wieder mit. Vielleicht gehe ich auch als Hausbesetzer und schreibe mir mit einem eigens importierten Kajalstift „Hausbesetzung Kreuzberg“ auf die Wange. Oder ich gehe als Britney Spears und schmink mir ein paar Bauchmuskeln. Jenni Zylka
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