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Thailand droht der BürgerkriegEin schwarzes Neujahrsfest

Tränengas gegen Brandsätze: Ein vor Monaten friedlich begonnener Protest gerät nun außer Kontrolle. In Bangkok ist der Notstand ausgerufen.

Brennende Barrikaden: In Bangkok herrscht absoluter Ausnahezustand. Bild: dpa

BANGKOK Schüsse hallten in den Straßen, Rauch stieg auf, marodierende Massen zogen durch Bangkok: "Ein schwarzes Songkran!", titelte die Zeitung The Nation. So hatten sich die Menschen ihr buddhistisches Neujahrsfest wahrhaftig nicht vorgestellt. Antiregierungsdemonstranten besetzten Kreuzungen, kaperten Busse und auffahrende Panzer und errichteten Barrikaden aus brennenden Autoreifen. Dann rückte die Armee an - mit Tränengas, Warnschüssen und Wasserwerfern.

Seit Beginn der Proteste wurden über 80 Menschen verletzt. Im Laufe des Montags hieß es gar, es habe mehrere Tote gegeben: "Die Armee hat auf friedliche Protestler mit M 16-Waffen gefeuert", sagte der zu den Demonstranten gehörende Jaran Ditapichai, früher Mitglied der thailändischen Menschenrechtskommission. Mindestens vier Demonstranten seien ums Leben gekommen, ihre Leichen habe die Armee beiseitegeschafft. Das Militär bestreitet dies. Am Montagabend wurde dann gemeldet, bei einem Schusswechsel sei ein Mensch getötet worden. Zwei Personen seien bei einem Gefecht zwischen Anwohnern und regierungsfeindlichen "Rothemden" in einem Wohngebiet verletzt worden. Ob es sich bei dem Toten um einen Demonstranten oder Anwohner handelte, war zunächst unklar.

Premierminister Abhisit Vejjajiva verhängte den Notstand über Bangkok und die umliegenden Provinzen. Zugleich forderte er die in revolutionäres Rot gekleideten Protestler zur Zurückhaltung auf. Doch die scheren sich nicht darum. Die Demonstranten nennen sich Vereinigte Front für Demokratie gegen die Diktatur und sind Anhänger des 2006 vom Militär entmachteten Premiers Thaksin Shinawatra. Ihr Ziel ist es, Abhisit aus dem Amt zu hieven. Was vor Monaten als überwiegend friedlicher Protest begann, gerät nun außer Kontrolle. Am Samstag sprengten Thaksin-Getreue den Asean-Gipfel im Badeort Pattaya. Die hohen Gäste mussten per Hubschrauber zu einem Militärstützpunkt ausgeflogen werden. Gastgeber Thailand war blamiert.

Der Machtkampf hält schon mehr als drei Jahre an. Im September 2006 war Thaksin aus dem Amt geputscht worden. Er floh, nun ruft er seine überwiegend aus der armen Landbevölkerung im Norden und Nordosten stammenden Anhänger aus dem Exil zum Umsturz auf: "Jetzt, da Panzer in den Straßen sind, ist es Zeit für das Volk, zu einer Revolution herauszukommen. Und wenn es nötig ist, werde ich ins Land zurückkehren."

DIE FRONTEN

DIE "GELBHEMDEN": Die Volksallianz für Demokratie (PAD) ist eine außerparlamentarische Opposition, deren massive Proteste 2008 dazu beitrugen, die Regierung der People Power Party zu stürzen. Ihre Anhänger tragen gelbe T-Shirts – die Farbe des Königs. Die PAD wird von den konservativen Eliten Thailands unterstützt. Sie forderte eine „neue Politik“, in der Parlamentarier nicht gewählt, sondern ernannt werden sollen. 2006 hatte die Volksallianz für Demokratie die Demonstrationen organisiert, die in den Militärputsch vom 19. September 2006 mündeten.

DIE "ROTHEMDEN": Die Anhänger der im Dezember 2008 per Gerichtsbeschluss aufgelösten People Power Party sowie vor allem die regierungsnahe Gruppierung Vereinigte Front für Demokratie gegen Diktatur (UDD) tragen rote T-Shirts. Der derzeitigen Oppositionspartei Puea Thai und der UDD wird vorgeworfen, noch immer von Thaksin gesteuert zu werden.

Die jüngsten Proteste sind ein Déjà-vu - nur mit umgekehrten Vorzeichen. Schon 2008 drohte Thailand im Chaos zu versinken, als die sogenannte Volksallianz für Demokratie, kurz PAD, auf die Straße ging. Sie wollte die Ende 2007 neu gewählte und erneut aus Thaksin-Anhängern bestehende Regierung stürzen. Die Krise drohte zu eskalieren, als die PAD Ende August 2008 das Gelände des Regierungssitzes stürmte und später beide Bangkoker Flughäfen besetzte. Erst ein Urteil des Verfassungsgerichtes brachte die "Gelben" dazu, sich zurückzuziehen: Die bis dato regierende People Power Party wurde wegen Wahlbetrugs aufgelöst, etliche Spitzenpolitiker sowie der damalige Premier Somchai Wongsawat, ein Schwager Thaksins, mussten zurücktreten. Was dann folgte, waren politische Manöver: Einstige Thaksin-Anhänger liefen zu Abhisits Demokratischer Partei über. Kritiker monieren, das Militär habe bei dieser Regierungsbildung "nachgeholfen". Abhisit muss sich Vorwürfe gefallen lassen, eine Marionette hoher Militärs und konservativer Kreise zu sein.

Die Unterstützer Thaksins fühlen sich betrogen. In den vergangenen Monaten initiierten sie mehrere Massendemonstrationen, darunter auch gegen General Prem Tinsulanonda, in dem sie den Drahtzieher des Putsches von 2006 vermuten. Die Vorwürfe sind politisch brisant. Prem ist Präsident des Staatsrates und damit bedeutendster Berater des Königs. Fest steht: Thailands Machtkampf zwischen "Gelben" und "Roten" wird andauern. "Die Gräben in der thailändischen Gesellschaft werden sich weiter vertiefen", so der Politikwissenschaftler Somchai Phagaphasvivat. Auch einen weiteren Putsch schließt er nicht aus.

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1 Kommentar

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  • D
    Dave

    Abhisit wird zurücktreten müssen um den Frieden zu wahren. Es ist daher schade, weil die Demokraten inhaltsvollere Politik machen und sich Menschenrechten eher verpflichtet fühlen als die vorige Administration. Nichtsdestotrotz hat Abhisit es versäumt, sich für eine landesweite Aussöhnung einzusetzen und die Bevölkerung über den Demokratiemangel unter Thaksin aufzuklären, obwohl er einige Monate relativ ruhiger politischer Zeiten hatte in denen Zeit genug gewesen wäre, einige grundlegende Änderungen zu starten.

     

    Thaksins Machthunger während seiner Regierungszeit war so offensichtlich, dass es genügend Angriffsziele gegeben hat, oder noch immer gibt. Beispielsweise hat er den Drogenhandel zu oberflächlich bekämpft. Drogen werden sich nie ganz ausradieren lassen, aber Thaksin war erfolgreich darin, diese genügend zu verteuern um den betroffenen Bevölkerungsschichten die Beschaffung zu erschweren. Der Preis für eine Yaba-Pille ist von 40 Cent auf mindestens zwei Euro während seiner Zeit gestiegen, zuviel, um dem einfachen LKW-Fahrer, jungen Schulabbrecher und durchschnittlichen Slumbewohner ein tägliches High zu ermöglichen. Zur Erreichung dieser, der Wohlfahrt garantiert zuträglicher Preissteigerung hat er Tausende Dealer von der Polizei erschießen lassen.

     

    Das Problem allerdings war und ist nicht nur die Fehlleitung junger Menschen, die ihre besten Chancen im schnellen Geld sehen, sondern vor allen Dingen die Korruption: Yaba-Pillen kamen und kommen fast ausnahmslos über die thailändisch-burmesische Grenze. Dies passiert nicht ohne die Schmierung der Beamten vor Ort, genauso wenig der Transport quer durchs Land. Eine landesweite Korruptionsbekämpfung hätte die Rechtsstaatlichkeit gefördert, Amnesty International nicht auf die Barrikaden gebracht und letztlich die Preise gleichermaßen gesteigert.

     

    Weitere Folgen: Tote Dealer können nicht gegen involvierte Polizisten aussagen. Der Drogenverkauf wurde nie gestoppt, allerdings gab es vermehrt Drogenverkäufe aus Polizeiasservaten, da die Marge so sehr gestiegen ist.

     

    Ein weiteres Thema ist der Stimmenkauf. Der Stimmenkauf auf dem Land gilt als legitim und wird erwartet, keine Partei ist da bessere als die andere. Dies taugt lediglich zur Verklagung der Parteien wenn das Volk zu unzufrieden ist und hat den Demokraten ins Amt verholfen. Hässlicher allerdings war Thaksins Vorgehensweise. Das Projekt "One Tambon, One Million Baht" war nichts anderes als Stimmenkauf mit Staatsgeldern. Speziell vor den Neuwahlen wurden diese Millionen an dankbare Dorfgemeinschaften verteilt, speziell an die, die Thaksin die Wiederwahl versprachen. Den anderen wurde ganz offen gesagt, dass sie bei der Verteilung der Gelder zuletzt an die Reihe kämen (!). Empfangene Gelder wurden zumeist für die Anbindung an das Thaksinsche Telekommunikationsnetzwerk genutzt oder als Grundlage für größere Investitionen - der Verschuldungsgrad ist während der Zeit immens gestiegen und nie war so viel Land in der Hand von Banken wie heute.

     

    Zudem sind während Thaksins Zeit -zig Parlamentarier überraschend zu seiner Partei gewechselt. Mehrere andere sind an die Öffentlichkeit getreten und haben berichtet, dass ihnen Summen bis zu 30 Millionen Baht (60.000 Euro) für den Wechsel geboten wurden. Das Thema wurde von den AIS-finanzierten Zeitungen immer wieder fallengelassen, um Werbeeinbußen zu vermeiden.

     

    All dies ist geschehen, um die Position Thaksins quasi unangreifbar zu machen. Absolute Mehrheit im Parlament und in der armen Bevölkerung, erreicht durch Populismus und Geld.

     

    Zudem schwelt noch immer das Problem im Süden. Massenmord an Muslimen, mehrere hundert Tote durch Armee- und Polizeigewalt, geahndet nur durch Strafversetzung Einzelner, bereiteten den Boden für einen Premier, der für den Wandel einsteht, für die nationale Aussöhnung.

     

    Abhisit hätte gut daran getan, diese Missstände bekannt zu machen und aufzuzeigen, was in einer Demokratie nicht geschehen darf. Stattdessen hat er all diese Steilvorlagen umfahren und es sich im höchsten Amt bequem gemacht. Hier und da wurde herumgeschraubt, jegliches Aufsehen und jede Konfrontation aber vermieden. Dies ist die Rechnung für einen schwachen und ängstlichen Politiker in schweren Zeiten. Das Volk ruft nach einem starken Mann, und mit etwas Pech wird dieser bald zurück sein.