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Thälmann widersteht der Treuhand

■ Landgericht Magdeburg stoppte die Einzelprivatisierung der Schwermaschinenkombinat Ernst Thälmann AG / Treuhand: Aufgeschoben ist nicht aufgehoben / Heute vor dem Treuhandausschuß in Bonn

Berlin/Magdeburg (taz/AFP/ dpa) – Die Sket Maschinen- und Anlagenbau AG (Magdeburg) bleibt vorerst in ihrer bisherigen Form bestehen. Mit einer einstweiligen Verfügung verbot die Zivilkammer des Landgerichts Magdeburg gestern dem Vorstand, den Konzern in fünf Teile zu zerlegen. Damit habe das Gericht einem Antrag der Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat entsprochen, teilte der Betriebsrat mit.

Die Treuhand als Eigentümerin hatte im Aufsichtsrat am 14. September die Aufsplittung des Maschinenbaukonzerns durchgesetzt. Die bisherigen vier Tochterunternehmen, Entstaubungstechnik Magdeburg GmbH, Zementanlagen- und Maschinenbau Dessau GmbH, Drahtwebmaschinenbau GmbH (Neustadt-Orla) und die Stahl- und Apparatebau GmbH (Genthin) sollten am 1. Oktober aus dem Konzernverbund herausgelöst werden. Die Sket Schwermaschinenbau Magdeburg GmbH als bisheriger Stammbetrieb und die Drahtziehmaschinenwerk GmbH Grüna (Chemnitz) sollten eine neue AG bilden. Bei der Aufsichtsratssitzung hatten aber nach dem Urteil des Gerichts nicht alle Unterlagen vollständig vorgelegen. Insbesondere zur Abspaltung der Zementanlagenbau Dessau hätten Unterlagen gefehlt.

Die Treuhand, die den Prozeß verloren hat, gab sich gestern in Berlin kämpferisch. Das Aufsplittungskonzept sei weiter sinnhaft, so Treuhand-Vize Hero Brahms in Berlin. Man werde entweder Widerspruch einlegen oder aber als Alleineigentümer einen erneuten Hauptversammlungsbeschluß für die Aufteilung herbeiführen. Heute wird sich auch der Treuhand-Ausschuß des Bundestages mit der Zukunft eines der übriggebliebenen Treuhand-Kolosse befassen. Der Betriebsrat wertete die Entscheidung als „moralischen Erfolg“ und positives Signal, daß der Widerstand einer Belegschaft gegen die Politik der Treuhand kein hoffnungsloses Unterfangen sei. „Wir hoffen, daß die Treuhand nun eine neue Lösung findet“ erkärte der stellvertretende Betriebsratsvorsitzende Günther Oelz.

Der Betriebsrat will den Konzern als ostdeutsche Unternehmensgruppe erhalten und in die schwarzen Zahlen bringen, „ohne die verlängerte Werkbank für Westunternehmen zu sein“. Dabei wird auch ein Management-buy- Out oder eine andere Form der Mitarbeiterbeteiligung angestrebt. Der Arbeits- und Sozialminister Sachsen-Anhalts, Werner Schreiber (CDU), hatte sich ebenfalls gegen eine Entflechtung des Unternehmens gewandt.

SKET verfügt nach Angaben des Ministeriums für 1994 bereits über einen Auftragsvorlauf von über 600 Millionen Mark.

Am Mittwoch hatten die Sket- Beschäftigten mit einem kilometerlangen Autokorso durch die Magdeburger Innenstadt erneut gegen die Entflechtungspläne der Treuhand demonstriert. Vor der Umwandlung in eine Treuhand- Aktiengesellschaft im Juni 1990 hatte das damalige Schwermaschinenbaukombinat in 18 Kombinatsbetrieben rund 30.000 Arbeitnehmer gezählt. Die heutigen sechs Betriebe der Sket-Holding beschäftigten noch 5.000 Mitarbeitern. Größter Einzelbetrieb ist das Magdeburger Sket-Stammwerk mit knapp 3.400 Beschäftigten, vor der Zementanlagenbau Dessau GmbH mit 500 Mitarbeitern.

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