■ Tennis: Ehrensache Davis-Cup
Berlin (taz) – „Der Davis-Cup ist das höchste Ziel für jeden Spieler“, spricht brav der 22jährige Jörn Renzenbrink, der für das Hamburger Halbfinale gegen die Russen am Wochenende erstmals eine Nominierung als Ersatzspieler erhielt. Worte, die Niki Pilic wie Honig runtergehen, ist er doch derartigen Idealismus von seinen Topspielern nicht unbedingt gewöhnt. „Dieses Gefühl haben alle und es ist viel mehr Wert als Geld“, beschwört der Teamchef alte Zeiten, als eine verschworene Gemeinschaft von vier Freunden die übermächtigen Schweden zum Ruhme des Vaterlandes an die Wand spielte. Aber die schönen Tage von Göteborg sind längst vorüber, aus dem Bund von 1988 ist nur noch Patrik Kühnen übriggeblieben, der, gerade von einer Bandscheibenoperation genesen, gegen Rußland vielleicht im Doppel eingesetzt wird.
Boris Becker hat den Begriff Vaterland längst aus seinem Vokabular gestrichen und ist inzwischen unter den Einfluß des winkligen Advokaten Axel Meyer-Wölden und des schnöden Mammons geraten. Gerade hat er sein zweites Autohaus in Stralsund eröffnet, und Davis-Cup spielt er erst wieder, wenn es Meyer-Wölden endlich gelungen ist, einen lukrativen Kooperationsvertrag mit dem Deutschen Tennis-Bund (DTB) auszuhandeln.
Michael Stich redet hin und wieder noch von Ehre, was keine Kunst ist, er hat ja seinen Kooperationsvertrag schon in der Tasche. Zudem erhält er seinem Weltranglistenplatz (2.) entsprechend allein als Antrittsprämie 175.000 Mark. Die beiden anderen feststehenden Akteure, Bernd Karbacher (33.) und Karsten Braasch (43.), dürfen jeweils 45.000 Mark Antrittsprämie einstreichen, Ersatzmann Renzenbrink (70.), der noch anstelle Kühnens zum vierten Mann aufrücken kann, 30.000. Pro Sieg und Spieler kommen 30.000 Mark hinzu.
Die russischen Gegner Jewgeni Kafelnikow, Alexander Wolkow und Andrej Olschowski müssen sich vermutlich mit mehr Ehre und weniger Geld zufriedengeben, was ihre Chancen aber nicht schmälert. Doch zu diesem Thema lassen wir am besten wieder Niki Pilic sprechen: „Wenn wir in guter Form sind, gewinnen wir – wenn nicht, dann verlieren wir.“ Präziser läßt es sich kaum ausdrücken.Matti
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen