Tempelhofer Feld: Einsam Bahnen ziehen
Am Tag nach der Eröffnung ist es auf dem Flugfeld ruhig. Radler und Skater entdecken die Leere für sich.
Dort oben, in einem kleinen Raum im zentralen Flughafengebäude, hat er damals mit der Band geprobt. Sylve Kempfer steht auf der Landebahn im Tempelhofer Park und deutet auf eine Fensterfront des halbrunden Zentralbaus mit der Abflughalle. "Wir hatten Blick auf die Hangars, ganz nah war Tempelhof damals."
27 Jahre sind seitdem vergangen. Die Mauer fiel, Kempfer wechselte die Rockbands, der Flughafen wurde geschlossen. Dass der Musiker nun seit Samstag mit dem Rad über die Rollbahnen fahren kann, müsse er erst einmal fassen. "Das hätten wir doch nie für möglich gehalten, dass wir einmal hier hereinkommen." Kempfer hat sich Zeit genommen an diesem Montagvormittag. Nach dem Trubel vom Wochenende mit rund 200.000 Besuchern radelt er unbehelligt auf dem Rundkurs. Immer wieder stoppt er, schaut, versucht die Weite zu begreifen. Tempelhof am Morgen danach ist eine einsame Angelegenheit.
Vom Eingang am Columbiadamm schweift der Blick ungehindert bis zur Stadtautobahn. Die Autos in Spielzeugformat flitzen Richtung Westen, die S-Bahn tuckert wie eine Modelleisenbahn auf dem Ring. Doch mag der motorisierte Verkehr zwar fern scheinen, zu hören ist er gut: Selbst in der Mitte des Feldes verhindert Dauerrauschen wirkliche Stille. Nur die Feldlerchen sind lauter. Ihnen gehören die satten Wiesen bis Juli. "Bitte nicht stören", steht auf Schildern neben den Asphaltbahnen. "Hier brütet die Feldlerche."
Das Ehepaar Buchgert stört nicht. Es rollt mit Inlineskates über die Landebahn. "Wir sind zum Sportmachen hier, wir üben", sagt Stephan Buchgert. Auf den Verkehrslärm achtet er nicht, er muss sich konzentrieren. Die Buchgerts wohnen am Südstern, die Schuhe haben sie sich eigens wegen des neuen Parks vor ihrer Haustür zugelegt. "Das ist eine echte Alternative zum Joggen", findet Ira Buchgert nach den ersten hundert Metern.
Für das Erlernen der Sportart sei das Gelände ideal. "Der Asphalt ist besser, als wir dachten, und genug Platz haben wir auch." Nur selten überholen Rennrad- und Alltagsradfahrer das Paar. Die einstigen Startbahnen machen es ohnehin nahezu unmöglich, einander in die Quere zu kommen.
Die wenigen, die sich begegnen, wechseln kaum Worte miteinander. Sie sind zum Sporttreiben hier. Steigungen fehlen zwar, dafür bläst der Wind kräftig über die Fläche und sorgt für unterschiedlich intensive Trainingsabschnitte. "Ich probiere das Gelände aus als Alternative zur Hasenheide", sagt Student Christian. Er ist eine halbe Runde gejoggt und mäßig begeistert. "Es dauert echt lange, und man läuft immer auf Asphalt", bilanziert er. Das nächste Mal werde er wohl einen Freund mitnehmen - damit die Zeit schneller vergeht. Christian schließt sein Fahrrad auf, das er am Haupteingang am Columbiadamm abgestellt hatte. Es ist das einzige Rad an den frisch montierten Bügeln.
Im roten Informationshäuschen dahinter hüpft ein junger Mann von einem Bein aufs andere. "Ich halte mich warm", sagt er und lacht. Zu tun hat er wenig. Ab und zu kommt ein Besucher und erkundigt sich nach den Toiletten oder will wissen, wie lang die Lauf- und Skatebahnen sind. Das geringe Interesse hat nach Ansicht des Mannes wenig mit dem Park zu tun. "Das liegt an dem Wetter, da will doch keiner raus."
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