Telefonüberwachung in Maßen : KOMMENTAR VON CHRISTIAN RATH
Pech für Justizministerin Brigitte Zypries. Da wollte sie in der aufgeregten Debatte über neue Sicherheitsgesetze einen beruhigenden Kontrapunkt setzen und eine Stärkung der Grundrechte beim Abhören von Telefonen ankündigen. Und dann stiehlt ihr wieder Innenminister Wolfgang Schäuble mit einem Interview die Show.
Ärgerlich ist das für Zypries schon deshalb, weil Schäuble überhaupt nichts Aufregendes gesagt hat. Schäuble wies darauf hin, dass die Unschuldsvermutung nur im Strafrecht gilt, also bei der Verurteilung bereits begangener Straftaten, und nicht bei der Abwehr künftiger Gefahren. Das war schon immer so, ist unumstritten und wird auch so bleiben, weil es hier auch um den Schutz möglicher Opfer geht.
Dennoch hat Schäubles Äußerung gestern mächtig Wellen geschlagen. So sah Expertin Petra Pau (Die Linke.PDS) mal wieder den Rechtsstaat in Gefahr. Manche scheinen schon einen Skandal zu wittern, wenn der Innenminister nur den Mund aufmacht – woran er mit seinen zahllosen Forderungen nach Gesetzesverschärfungen natürlich auch nicht unschuldig ist.
Deshalb ist es umso beruhigender, dass bei der Überwachung der Telekommunikation nun tatsächlich hier und da auch mal die Rechte der Bürger gestärkt werden sollen. So wird die Privatsphäre künftig besser vor Abhöraktionen geschützt, sensible Berufsgruppen wie Pfarrer, Abgeordnete und Strafverteidiger können in der Regel gar nicht mehr abgehört werden. Die Benachrichtigung der Betroffenen soll verbessert werden. Auf diese Reform hat man seit zehn Jahren gewartet. Rot-Grün hat sie nicht hinbekommen.
Doch auch in dem dicken Gesetzentwurf von Zypries ist ein Projekt, das Schäuble gefallen dürfte. Für sechs Monate müssen bald alle Telefon-, E-Mail- und Internet-Verbindungsdaten zwangsweise gespeichert werden – damit die Polizei bei Bedarf darauf zugreifen kann. Das Vorhaben ist von zentraler Bedeutung. Während der Schäuble-Katalog noch vage Ideen enthält, liegt hier schon ein Gesetzentwurf auf dem Tisch. Für Zypries war es gestern zwar nur ein Nebenaspekt, für die gesellschaftliche Debatte ist die Zulässigkeit vorsorglicher Datenspeicherung jedoch der zentrale Punkt.