: Technik. Talent. Toleranz?
Vor allem „weiche“ Standortfaktoren locken die „Kreativen“ in neue Stadtteile: Wie steht’s damit in Schöneweide?
VON ALEKSANDAR ZIVANOVIC
Es gibt in Schöneweide immer wieder Vorfälle mit Rechtsextremen: rassistische Pöbeleien und Übergriffe. Gleichzeitig wirken aber auch eine Vielzahl von engagierten Bürgern, Vereinen und Politikern seit langem rechtsextremem Denken entgegen. Das Problem Rechtsextremismus wurde in diesem Berliner Ortsteil, der nach der Schließung der Industriebetriebe mit hoher Arbeits- und Perspektivlosigkeit zu kämpfen hat, schon in den 90er-Jahren spürbar. „In Schöneweide lebt eine Vielzahl von rechtsextremen Kadern und Aktivisten“, sagen Matthias Müller und Ulf Bünermann von der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus Berlin.
„Viele Bewohner sind sensibler geworden und setzen sich aktiv für ein Mehr an Toleranz ein“, stellt Björn Malycha vom Zentrum für Demokratie Treptow-Köpenick fest. Das Zentrum gehört zu 65 Vereinen, Initiativen und Parteien, die vor neun Jahren das Bündnis für Demokratie und Toleranz gegründet haben. Das Bündnis hat sich zum Ziel gesetzt, im Bezirk ein toleranteres Klima zu schaffen. „Die Bürger wollen, dass sich eine andere Alltagskultur etabliert, ihr Lebensumfeld demokratisch gestalten und den Ortsteil positiv voranbringen – kulturell, städtebaulich wie auch wirtschaftlich“, sagt Björn Malycha. Und: „Der Ortsteil lebt!“
Toleranz ist dabei auch ein nicht zu unterschätzender Standortfaktor – gerade in einem Ortsteil wie Schöneweide. Der US-amerikanische Wirtschaftswissenschaftler Richard Florida beschreibt in „The Rise of the Creative Class“, einem Standardwerk zum Thema Stadtentwicklung, die Wichtigkeit des Faktors Toleranz. Technologie, Talent und Toleranz, heißt es bei Richard Florida, sind die Kategorien, anhand derer man ablesen könne, ob eine Region in Zukunft wirtschaftlich erfolgreich abschneiden wird oder nicht. Florida entwickelt eine „allgemeine“ Wachstumsstrategie, nach der es für die wirtschaftlich erfolgreichen Standorte der Zukunft vor allem darauf ankommen wird, kreative und qualifizierte Menschen anlocken. Für „kreative“ Städte – mit dem Label „kreativ“ wirbt Berlin seit Jahren – würde dies bedeuten: neue Firmengründungen, mehr Arbeitsplätze, besserer Lebensstandard. Doch die „Kreativen“ ziehen nicht überall hin. Florida kommt zu dem Schluss, dass weder finanzielle Vergünstigungen wie steuerliche Anreize noch die vorhandene Infrastruktur allein relevant für die Standortauswahl innovativer Unternehmen und wissenschaftlicher Institutionen sind. Um die „kreative Klasse“ anzulocken und am Ort zu halten, kommt den „weichen“ Standortfaktoren eine Schlüsselfunktion zu – Faktoren wie der kulturellen Vielfalt in einem toleranten Stadtklima.
Technologie, Talent, Toleranz: Mit der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) sind in Schöneweide Talent und Technologie vor Ort. Mit dem Bau des Flughafens Berlin Brandenburg International (BBI) in Schönefeld ist Schöneweide mehr ins Blickfeld und näher ans Stadtzentrum gerückt und damit auch für junge Menschen und Familien attraktiver geworden.
Und der Faktor Toleranz? Lutz Längert vom Kiezbüro Schöneweide sagt, dass sich in Schöneweide vieles getan habe. Dennoch würde es „noch mehr Studenten, Künstler und Touristen hierher ziehen, wenn sich ein paar alternative Orte mehr etablieren würden“. Längert hofft: „Wenn sich Schöneweide ein wenig mehr für das Andere öffnen würde, dann könnte es hier noch viel lebendiger werden.“