Tach auch: Zeitung entflammt
■ Die neue kleine sowie erbauliche Montagskolumne der taz / 7. Versuch
Am Heiligabend, zur Stunde, da sich in den Familien jene unausdenkbar intimen Ritualen abspielen, in deren Folge weihnachtliche Fröhlichkeit und Friedfertigkeit stehen sollen, die aber meist nur unseren vom neuen Psychotherapeutengesetz gebeutelten Seelenhelfern aufhelfen, ruft Helmi an. Helmi hat meine Nummer mit den Zehen gewählt und hält den Hörer zwischen den Zähnen. Wo einst Hände waren, baumeln jetzt blutende Stümpfe. Es ist wie immer an Heiligabend: Der Christbaum paßte nicht in den Christbaumständer, und Helmi hatte zur Axt gegriffen. Jedes Jahr das gleiche Lied. Wegen der fehlenden Finger kann sich Helmi nicht mehr an der eigenen Nase packen. Also herrscht er mich an: „Schreib das in die Zeitung, Reporter!“
Lieber Helmi (und alle anderen, die Tach auch mit der BILD-Zeitung verwechseln): Diese Kolumne befaßt sich weder mit blutenden Stümpfen noch mit den menschenfeindlichen Herstellern von zu kleinen Christbaumständern und legt sich erst recht nicht mit Gott an, der den Christbäumen dicke Stämme gab. Viel typischer für eine Kolumne wie Tach auch ist die Diskussion der Frage, ob man einem frühstückenden Zeitungsleser heimlich Feuer an die Zeitung legen soll. Das ist natürlich feuerpolizeilich problematisch (worauf, typisch für Tach auch, die Nebendiskussionen entflammt, ob es überhaupt eine „Feuerpolizei“ gibt, warum nicht, u.s.f.); zweitens bringt Feuerlegen zumindest an Tageszeitungen eine (unerwünschte?) Dynamik in die Zweierbeziehung; drittens jedoch ist das Bild eines mit brennender Zeitung Frühstückenden einfach klasse und nur noch zu übertreffen von Helmi, wie er die lodernde taz mit den Füßen umblättert. Burkhard Straßmann
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