TV-Duell der US-Vizekandidaten: Landpommeranze gegen altes Eisen
Noch nie hat ein TV-Duell der Vizepräsidentschaftskandidaten schon im Vorfeld so viel Aufmerksamkeit erregt wie das zwischen der bodenständigen Mama und dem Washingtoner Routinier.
Kaum je zuvor hat im US-Wahlzirkus das TV-Duell der Vizepräsidentschaftskandidaten solche Neugier und Nervosität ausgelöst, wie das für Donnerstagabend angekündigte Duell der beiden Back-up-Politiker Senator Joe Biden (für Obama) und Gouverneurin Sarah Palin (für John McCain).
Dass die Gouverneurin aus Alaska ungeahnte Gefühle freisetzt, das war von der ersten Sekunde ihres Aufschlagens auf der Weltbühne vor gerade mal vier Wochen an klar. Dem republikanischen Kandidaten McCain, selbst schon 72, war mit der Nominierung der 44-jährigen attraktiven, erzkonservativen Palin ein Blockbuster geglückt, wie ihn eine Präsidentschaftskandidatur selten zuvor erlebt hat.
Joe Bidens bejubelter Aufstieg zum Mann hinter Obama wirkte im Rückblick dagegen plötzlich wie kalter Kaffee. Der joviale Senator, seit drei Jahrzehnten irgendwie zum Washingtoner Inventar gehörend, ist bei der demokratischen Basis beliebt und wird auch von Konservativen gemocht. Biden hat alles, was es braucht, um als der nette Typ von nebenan zu wirken: Arbeiterfamilienkindheit, tragischer Verlust der ersten Ehefrau, heroisches Alleinerziehen seiner Söhne, Bodenhaftung und Humor. Angst haben seine Anhänger nur vor seiner Lust am Reden. "Leute, lasst mich euch sagen", ruft er gern, um dann atemlos Sätze in die Luft zu hämmern. Viele davon sind als Juwelen eingegangen in den Wortschatz des politischen Alltags. Wie der, den Biden über den New Yorker Bürgermeister Rudy Giuliani sagte: "Es gibt nur drei Dinge, die er in einem Satz unterbringt: ein Hauptwort, ein Verb und 9/11." Das saß für die Ewigkeit. Beide Männer hatten zum Jahresanfang zunächst selbst für das Präsidentenamt kandidiert, waren aber früh gescheitert. Biden unter anderem deshalb, weil unter all seinen guten Sätzen auch viele waren, die im Wahlkampf nach hinten losgehen.
In unerwarteter Parallelität bereitet auch Republikanern die Frage schlaflose Nächte, was Palin bloß so von sich geben könnte. Die unerfahrene Politikerin hatte zu Beginn vor allem durch ihre Bodenständigkeit und Frische wahre Begeisterungsstürme entfacht. Dann nahm sie John McCains männliches Strategenteam in den pädagogischen Schwitzkasten. In Windeseile sollte aus der kämpferischen Landpomeranze eine weltgewandte Reformerin geknetet werden, was nur wenig hinhaute.
Obwohl die McCain-Kampagne die Mutter von fünf Kindern, das jüngste noch ein Säugling, auf unerhörte Weise hermetisch von der Presse abschirmte, boten die wenigen sorgfältig arrangierten Interviews, die Palin schließlich geben sollte, genug Stoff, um sich die Haare zu raufen. Auf Fragen nach den drängendsten Problemen, sei es Irak, Afghanistan, Russland oder die Finanzkrise, bot Palin wenig mehr als Allgemeinheiten, Versatzstücke oder gänzlich sinnloses Durcheinander. Selbst einige konservative Kommentatoren bezweifeln inzwischen lautstark ihre Eignung und Kompetenz.
Palins Stärke, die Stimme des Volkes zu geben, ist jedenfalls in der Arena der großen Politik wie ein Soufflé zusammengefallen. Stattdessen hat sich parteiübergreifend ein Mitleiden an ihrer Demontage breitgemacht. "Ich weiß nicht, wie ich mich auf das Duell vorbereiten soll, denn man weiß nicht, was Palin denkt", sagte Joe Biden neulich halb im Spaß. Am Donnerstag wollen alle sehen, ob im 66-jährigen Biden der Macho ausbricht, Palin patzt oder ob sich die Exbürgermeisterin, die sich selbst als Pitbull mit Lippenstift beschrieb, doch nicht so leicht die Butter vom Brot nehmen lässt.
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