TONY BLAIR REDET SICH RAUS – ABER ES WIRD IHM NICHTS NUTZEN : Die Geschichte verzeiht nicht
Im Frühjahr fragte Tony Blair in die Runde seiner Berater, wie er seine Rede an die Nation beginnen könne, mit der er den Kriegsbeginn gegen das irakische Regime verkünden wollte. Antwort: „Wie wär’s mit ‚Meine lieben amerikanischen Landsleute …‘?“ Blair fand das nicht witzig.
Jetzt war das Geschehen irgendwie seitenverkehrt. Vorgestern Nacht sprach Blair in Washington, vor den beiden Häusern des US-Kongresses, doch die eigentlichen Adressaten waren die Briten, denen dämmert, dass sie mit Lügen in einen Krieg gezogen wurden. Viele Labour-Parteigänger fühlen sich von ihrem Parteichef nicht nur verschaukelt, sondern sie fürchten nun, dass Blair so schnell nicht wieder Tritt fassen wird.
Der Schlüsselsatz in Blairs Ansprache war wohl deshalb: „Wenn wir uns geirrt haben, dann haben wir zumindest eine Bedrohung zerstört, die für unmenschliche Akte und unermessliches Leid verantwortlich ist. Ich bin zuversichtlich, dass die Geschichte uns das vergeben wird.“
Nur: Darum geht es gar nicht. Dass die angloamerikanische Allianz im Irak womöglich aus den falschen Gründen das Richtige getan hat, diese Haltung haben schon während des Krieges nicht wenige unter den Kriegskritikern vertreten. Doch es kommt eben nicht nur darauf an, was man tut, sondern auch, warum und wie man es tut.
Man kann einen Despoten vertreiben und dies auf eine Art tun, die bereits die Legitimation jeder Nachkriegsordnung untergräbt; man kann dabei die ohnehin unterentwickelten internationalen Institutionen so schwächen, dass damit im Resultat zusätzliche Spannungen entstehen; man kann das Vorgehen gegen eine solche – angenommene oder reale – Gefahr auf eine Weise begründen, die das Vorgehen gegen künftige Gefahren erschwert. Man kann, kurz gesagt, Kriegsgründe schon erfinden, doch nur um einen hohen Preis.
Man stelle sich vor, dieser Premierminister kommt noch einmal in die Lage, seine Bürger darum zu bitten, sie sollten ihm vertrauen. Da wird es von nun an zu Recht heißen: Wie soll man einem Trickser wie Blair noch glauben?
Und die Geschichte? Auch sie verzeiht nicht alles. ROBERT MISIK