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Archiv-Artikel

TARIK AHIMA ÜBER EINEN EUROPÄISCHEN FINANZAUSGLEICH Kannibale der Union

Man stelle sich vor: 1990 vereinbaren West- und Ostdeutschland eine Währungsunion und schreiben gleichzeitig den Fortbestand von zwei unabhängigen deutschen Staaten fest: Wohl nur ein paar Wochen später wäre die DDR unter der Last der D-Mark kollabiert, das Vertrauen in die Westmark hätte nachhaltig Schaden genommen. Die Währungsunion ging deshalb sinnvollerweise mit der politischen Vereinigung und einer einheitlichen Fiskalpolitik einher.

Was im Kontext der Wiedervereinigung alternativlos erschien, wurde bei der Geburt der Eurozone nicht einmal in Erwägung gezogen: Die Stabilität der neuen Währung sollte lediglich durch Grundsätze für eine sparsame Haushaltsführung verordnet werden. Doch in der Praxis hat sich dieses Konzept des Euro-Stabilitätspaktes als völlig unzulänglich erwiesen. Es ist daher ökonomisch konsequent, wenn zukünftig die Leistungsbilanz der Staaten als neuer Stabilitätsindikator dienen soll, wie es das gewerkschaftsnahe IMK fordert. Die neue Methode würde vor allem Deutschland nicht mehr als Musterknaben, sondern als Kannibalen des Euroraumes zeigen. Denn das Land hat seine wirtschaftlichen Erfolge vor allem durch jahrelanges Lohndumping und eine schändliche Unterfinanzierung öffentlicher Aufgaben erkauft.

Die Umstellung eines ökonomischen Indikators ersetzt natürlich kein politisches Handeln. So müssen sich die Eurostaaten endlich zu einer politischen Union sowie einer gemeinsamen Fiskalpolitik bekennen. Denn keine Währungsunion hat Bestand, die dauerhaft bei Wirtschaftskraft, Löhnen und Preisen auseinanderdriftet. Ausgaben- und Einnahmenpolitik müssen abgestimmt werden – bis hin zu einem europäischen Finanzausgleich, wie er seit 60 Jahren für Streit und Stabilität zwischen den deutschen Bundesländern sorgt.

Wirtschaft + Umwelt SEITE 8