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Archiv-Artikel

TARIFREFORM FÜR STAATSDIENER: DIENSTALTER VERLIERT AN BEDEUTUNG Ver.di-Kampfrechner bleiben

Wie sich ein Image doch wandeln kann, auch das einer Arbeitnehmerorganisation. Traditionell stand die Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di immer als Blockierer da. Doch dieses Bild befindet sich im Wandel: Ver.di kündigt den Tarifvertrag zur neuen Lohnrunde nicht, sondern will künftige Zuwächse mit den Kosten verrechnen, die die geplante Überarbeitung des Tarifrechts verursachen wird. Eine Reformerrunde bildet die Gewerkschaft jetzt mit den Arbeitgebern des Bundes, der Städte und Gemeinden. Der „antiquierten Bundesangestellten-Tarifvertrag“, wie ihn Bundesinnenminister Schily nannte, soll abgelöst werden. Das Ende von BAT II a!

Das wirkt wie ein kultureller Wandel. Weg vom Alimentierungsgedanken, der ein hohes Dienstalter mit hohen Bezügen, sprich „Sitzprämien“, honoriert – und hin zu einer stärker an Leistung orientierten Bezahlung und einer neuen Niedriglohngruppe. Das klingt nach Reform. Doch erstens besteht die Veränderung vor allem in einer Vereinfachung und zweitens gibt es auch kleine Verluste zu beklagen. Mit der Tarifreform werden beispielsweise an neu eingestellte Mitarbeiter keine individuellen Kinderzuschläge mehr bezahlt. Plötzlich fällt auf, dass den öffentlichen Dienst doch eins auszeichnet: eine hochgradige Eltern- und Kinderfreundlichkeit. In keiner Branche beispielsweise können alleinerziehende Mütter Beruf und Kind so gut miteinander vereinbaren, bedingt durch die vielen Teilzeitjobs und die hohe Jobsicherheit. Wie Ver.di diese Jobsicherheit künftig schützen kann, ist noch eine offene Frage.

Ein großer Reformgestus ist also unangebracht. Für Ver.di ist die Tarifreform vor allem ein pragmatischer Akt. Die Gewerkschaft muss dabei helfen, den öffentlichen Dienst stärker der Privatwirtschaft anzunähern, auch um die zunehmende Privatisierung von Dienstleistungen einzudämmen. Und man soll sich nicht täuschen lassen: Wie genau künftige Lohnerhöhungen mit der Tarifreform verrechnet werden, wird im harten Kampf zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaft entschieden – wie eh und je. BARBARA DRIBBUSCH