piwik no script img

Susanne Messmer wundert sich sich über das neue „Geo Special“-Heft. Warum? Es geht um Berlin und seine „Wahnsinnsenergie“Noch cooler, spannender und internationaler

Berlin, du bist so wunderbar! Foto: ap

Es ist wahrscheinlich wohlfeil, als Lokalredakteurin dieser Zeitung mit einer Redaktion zu schimpfen, die diese Stadt nur von außen sieht. Denn die Geo muss dies ja tun: für all die Leute aus der ganzen Republik, die sich das am gestrigen Mittwoch erschienene Geo Special über Berlin zulegen werden, um sich auf der Bahnfahrt schön vorzubereiten auf ihren Städtetrip.

Und trotzdem, liebe Redakteure bei Geo Special in Hamburg, ich kann einfach nicht anders: Hättet ihr euch nicht ein kleines bisschen mehr Know-how einholen können? Wenigstens ein einziges Thema ausbuddeln, das der gemeine Berliner nicht seit Jahren vorgekaut bekommt?

Berlin ist „cooler, spannender und internationaler“ denn je, so gähnt es einen schon auf dem Cover an – und doch ist man fast geneigt, Hoffnung zu schöpfen, denn internationaler, das stimmt ja sogar, internationaler wird Berlin tatsächlich seit Monaten schneller als im Traum.

Und so wird der Titel im Heft eingelöst: güldene Bilder von Berlin am Wasser unter dem Titel „Ein Hauch von Venedig“. Ein Stück der neuen Geo Special widmet sich den neuen „Food­enthusiasten“ aus aller Welt, die „ihren Beitrag zur Völkerverständigung leisten“. Ein anderes handelt von der angeblich neuen Berliner Straßenmusik. Dazu nur das: Ich erinnere mich an den Dokumentarfilm „Berlin Analog“, der den Boom, die Professionalisierung und die Internationalisierung der Berliner Straßenmusik in Zeiten der fortschreitenden Digitalisierung und der sterbenden Musikindustrie schon 2005 gesehen hat. So viel zum Thema Internationalität.

Noch schlimmer ist aber, dass Berlin einfach nicht aufhören darf, jung und kreativ zu sein, die „Stadt der Millionen Ideen“ und der „Wahnsinnsenergie“, vor allen in den brummenden und den kommenden Szenebezirken Neukölln und Charlottenburg, wie die Geo weiß: So widmet sie sich nicht nur den „Bloggern, Handwerkern und Entrepreneuren“. Sie versucht darüber hinaus, sich qua Sprachduktus locker und flockig diesen anzuverwandeln. Unter anderen werden eine Papier schneidende Künstlerin aus London vorgestellt („Rzzzt“), ein Autor aus Erfurt, der Möbel aus altem Holz schreinert, und zwei Männermodeblogger aus Hofgeismar: „Sie landeten echte Kracher.“ Schnarch.

Was aber würde ich tun, wenn ich eine ganze Geo über Berlin zu füllen hätte? Schwer zu sagen. Vielleicht würde ich mich an Menschen wie Max Raabe halten. Er wurde als einer von sechs Promis von der Geo kurz befragt, warum sie Berlin so lieben. Raabe sagt, er finde hier „eine gewisse Ruhe“. Vielleicht würde man, hörte man Leuten wie ihm besser zu, erfahren: Berlin ist eine Stadt wie viele. Sie muss sich mit handfesten Problemen auseinandersetzen, was im Alltag oft erstaunlich gut gelingt. Dies über ebenso glamouröse wie vernünftige Leute wie Raabe zu erzählen, sodass es auch Touristen verstehen: Das wäre ein Anfang.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen