Super-Angebotswoche : Alles muss raus!
Königlicher Räumungsverkauf auf Schloss Marienburg: Welfen lassen Tafelsilber versteigernvon Jörg Heynlein
Obacht! Es gilt einen Hauch von Glanz und Gloria per Wort und Bild in die profane Welt der Nicht-Adligen zu transportieren. Den Wegesrand vom Parkplatz zu Schloss Marienburg säumen zwei Rolls-Royce und weisen die Besucher dezent darauf hin, dass sie sogleich die Pforte zu einer für den Besitzlosen unerreichbaren Welt durchschreiten, in der der moderne Adel die Güter seiner längst verstorbenen Ahnen hütet – oder verscherbelt. Ganz wie es ihm beliebt.
Hier beginnt heute die große Auktion von Kunstschätzen des Welfenhauses. In 130 Räumen ist ein riesiges Angebot von Porzellan, Möbeln, Silber, Waffen und Gemälden aufgebaut, zum Teil blitzend und blinkend, zum Teil muffend und modernd. Abzüglich natürlich jener 37 polizeilich beschlagnahmten Schießeisen aus dem 19. Jahrhundert, für die zwar mit Sicherheit ein Echtheitszertifikat, aber kein Waffenschein vorlag. Lästige Bürokratie! Das hätte es früher nicht gegeben. Beim Durchschreiten des Burgtores fühlt man sich dennoch in jene Zeit versetzt, als Georg V. die 1866 schlüsselfertig bestellte Burg gerade eben seiner geliebten Marie überreichen wollte, um augenblicklich die königlichen Rockschöße in die Hand zu nehmen. Die anstürmenden Preußen näherten sich und trieben den König und Marie ins Exil nach Österreich. Fortan bleib die Marienburg leer und der Schlossgeist konnte fast ein ganzes Jahrhundert lang ausgelassene Partys mit sich selbst feiern.
Doch nun herrscht im Hof die nächsten Tage eifriges Treiben. Der Hofstaat des Auktionshauses Sotheby’s hat Einzug gehalten und wimmelt, nebst BeraterInnen des Königshauses und HeroldInnen mit gespitzter Feder zwischen den Gemäuern umher. Und wartet ganz wie das jahrhundertealte Haushaltszeug auf launige KäuferInnen.
Vater Ernst August Prinz von Hannover vermachte seinem ältesten Sohn Ernst August im vergangenen Jahr neben einigen anderen Besitztümern die Marienburg, damit dieser schon früh die schwere Last zu buckeln lernt, Kunst und Kultur verantwortungsvoll zu bewahren. Damit das Bewahren auch gleich losgeht, wurde beschlossen, aus der Marienburg eine Touristenattraktion zu formen. Dazu muss diese natürlich entrümpelt werden. Raus mit dem Zeug aus Blankenburg, dem Welfensitz im Ostharz bis 1945.
Ernst Augusts 20 und 23 Jahre alten Söhne Christian und – nicht verwechseln! – Ernst August organisieren den blaublütigen Flohmarkt zusammen mit der Kunstberatung Christoph Graf Douglas und dem Auktionshaus Sotheby’s. Die Burg muss befreit werden vom Muff eines königlichen Gebrauchtmöbellagers.
Im Gegensatz zum bürgerlichen Garagenflohmarkt heißt es hier allerdings nicht „alles ein Euro“ oder „bis zu 70 Prozent reduziert“. Ganz im Gegenteil. Werden Geschirr, Klamotten, Waffen und Bilder aus adligem Bestand feilgeboten, purzeln Preise – die Treppe hinauf. Das Gesamtvolumen der 20.000 Stücke ist auf 12 Millionen Euro angesetzt.
So steht ein durchgelegenes Einzelbett für 1.500 Euro zum Verkauf, ein Doppelbett für Kleinwüchsige wird auf 3.000 Euro geschätzt. Außerdem gibt es zehn Kilo schwere Mäntel für 350 Euro das Kilo – alles, was keinen Wert hat und dem Projekt Besuchermagnet die Anziehungskraft nehmen könnte, im Wege liegt, steht oder hängt, kommt unter den Hammer.
Das mit dem Wert ist so eine Sache. Denn die Versteigerung hat das Haus Hannover in zwei Lager geteilt, die sich im kunsthistorischen Boxring einen dezenten Schlagabtausch liefern. In der hellblauen Ecke der Onkel des neuen Burgherrn, Heinrich Prinz von Hannover, und einige beflissene Kunstfachleute. Diese Herausforderer sind mit der jugendlich-königlichen Unbekümmertheit nicht zufrieden und befürchten, dass Gegenstände von nationaler Bedeutung über die sieben Weltmeere verstreut werden.
In der dunkelblauen Ecke die jungen Prinzen und Graf Douglas, die versichern, dass nur Ladenhüter und Tand die Burg verlassen. Die dunkelblaue Ecke will das Schloss Marienburg zum „Neuschwanstein von Norddeutschland“ ausbauen. Auch wenn Schloss Boitzenburg nahe der Landesgrenze zu Mecklenburg-Vorpommern den Titel bereits führt. Doch die Boitzenburg ist gerade ins Visier der Staatsanwaltschaft geraten, ein Subventionsskandal, munkelt man, und sollte in dessen Zuge der Name Nordschwanstein frei werden – die Welfen werden’s nicht verschlafen.
Wie dem auch sei, der Auktionsdienstleister hat im vergangenen halben Jahr die dunklen Kellergewölbe und unzähligen Zimmer der Marienburg bis hoch zum Dachboden durchkämmt und die transportfähigen historischen Ladenhüter nach Amsterdam verfrachtet, aufgemöbelt, katalogisiert und bewertet. Kritiker aus der hellblauen Ecke argwöhnen zwar, hier seien Güter von nationaler Bedeutung unter Ausschluss der Öffentlichkeit beiseite geschafft worden. Schließlich hätte es auch in der Nähe der Marienburg Platz zum Putzen gegeben. Aber die dunkelblaue Ecke weist das empört von sich und kontert, dass in Amsterdam sämtliche logistischen Bedingungen erfüllt gewesen seien, sämtliche, wohlgemerkt. Und dass der Weg für die Experten aus London nach Amsterdam kürzer und bequemer sei als per Billigflieger nach Hannover und mit S-Bahn und Buslinie bis zur Marienburg anzureisen.
Bei einer englischen Auktion, wie sie in der Marienburg das Feilschen regelt, sticht vom festgesetzten Mindestpreis beginnend das höchste Gebot. Auch über Telefon und Mittelsmänner kann mitgesteigert werden. Die Presse ist angehalten, das scheue Auktionswild nur von hinten zu fotografieren, damit es nicht in seiner Konzentrationsphase gestört wird und vom Blitz verschreckt die Lichtung verlässt – in der Angst, ein Opfer der Regenbogenpresse zu werden und Zeitschriften für FriseurInnengeschäfte zu füllen, weil man soeben meistbietend eine Duellpistole, eine Ritterrüstung, einen jener Degen oder eines der Schwerter erworben hat, an denen noch das Blut der Opfer zu kleben scheint.
Doch zwischen all diesem martialischen Geschmeide sticht eine pazifistische Absonderlichkeit, ein romantisches Kleinod hervor: Eine hölzerne Blumenkanone. Mit Widmung. Auf dem Schild der floristischen Feuereinrichtung steht geschrieben: „Mit Eurer Königlichen Hoheit /gnädigsten Verlauf unsern unterthänigsten Gruss und Dank zuvor / Submittest gefertigte Constables von seiner Königlichen Majestät Truppen verstellen“ – ja, lauter Sätze wie Bücklinge, die bis an die Grenze der Verständlichkeit verdreht im sprachlichen Rückwärtsgang in eine abschließende Zueignung münden: „In tiefster Devotion.“