Südafrika: Selbstzerfleischung beim ANC
Die Rivalität zwischen Staatschef Mbeki und Exvizepräsident Zuma beim Kampf um die Führung bringt den ANC-Parteitag an den Rand des Chaos. Die Wahl kurzfristig verschoben.
Das Rennen um die Spitzenposition beim regierenden Afrikanischen Nationalkongresses (ANC) in Südafrika bleibt länger und bitterer umkämpft als erwartet. Die zunächst für Sonntag erwartete Entscheidung zwischen dem derzeitigen Staats- und Parteichef Thabo Mbeki und seinem Herausforderer Jacob Zuma wurde vertagt. "Stoppt die Anarchie aus dem Zuma-Lager! Kameraden, bleibt diszipliniert und selbstbewusst - wir liegen vorn!", rief der stellvertretende Verteidigungsminister Mluleki George den Anhängern Mbekis gestern bei Beginn des zweiten Konferenztags zu.
Rund 4.000 ANC-Delegierte sind in Polokwane bis Donnerstag versammelt, um einen neuen Parteipräsidenten zu wählen. Ihre Anspannung hatte sich während der Eröffnung am Sonntag in tumultartiges Verhalten umgewandelt. Zumas Anhänger unterbrachen den Verlauf der Konferenz mehrfach mit Buhrufen gegen Mbeki und Parteivorstand Mosiuoa Lekota und sangen Lieder wie "Bring mir mein Maschinengewehr" - Zumas bevorzugtes Lied aus dem ANC-Befreiungskampf, das er in den letzten Wochen bei seinen Wahlkundgebungen vortrug. Sie hielten Zumas Bilder hoch, obwohl der Einsatz von Propagandamaterial für Kandidaten verboten war. Die Wahl des Parteipräsidenten wurde dann nach vorzeitigem Abbruch der Konferenz auf den gestrigen Montag verschoben. Ergebnisse werden frühestens am Dienstag erwartet.
Das Zuma-Lager hatte gegen die geplante elektronische Zählung der Stimmen aus Angst vor Betrug protestiert, was zu einer weiteren Verzögerung führte. Nach Debatten einigten sich die Teilnehmer auf eine manuelle Auszählung. Die Stimmen werden im Anschluss elektronisch aufgenommen.
Die Rivalitäten entladen sich auch auf dem Campus der Universität im Tagungsort Polokwane. "Oft wird hier fast hasserfüllt ein Kandidat über den anderen gestellt, anstatt überzeugende Argumente zu benutzen", berichtet die Kommentatorin Mohau Peko und kritisiert: "Egal wer die Institution des ANC leitet - sie haben das Mandat, und ihnen gebührt Respekt."
Aber das gegenteilige Verhalten vieler Delegierter reflektiere auch die Zerwürfnisse in der Führung. Erstmals in der 95-jährigen Geschichte der Befreiungsbewegung wird ein Machtkampf um die Parteispitze mit persönlichen Angriffen und Diffamierungen ausgefochten. Die Parteiführung hat zugegeben, dass Geld, Einschüchterungen und Postenzusagen den Wahlkampf zwischen Mbeki und Zuma begleitet haben. Generalsekretär Kgalema Mothlanthe erklärte, damit habe die Führung versagt. "Wo ist der ANC, wenn Mitglieder dieser Bewegung beitreten, um sich persönlich zu bereichern?", fragte er.
Präsident Mbeki kritisierte in seiner dreistündigen Ansprache an die Delegierten, dass Mitglieder ANC-Strukturen nutzen, um ihre Karrieren zu fördern, was dem Image der Bewegung schade. Der Spaltung im ANC sei nicht politischer Natur, meinte Mbeki, sondern es gehe darum, sich zu positionieren. In diesem Zusammenhang sprach er auch verbreitete Korruption auf Kosten der Armen an - ein Wink mit dem Zaunpfahl gegen Zuma, der wegen seiner angeblichen Verwicklungen in Korruption in einem Waffengeschäft im nächsten Jahr vor Gericht angeklagt werden soll. Mbeki lieferte einen zufriedenen Rückblick auf die eigene Amtszeit. Er erwähnte stetige Wirtschaftswachstumsraten um 4 Prozent. Mbeki ging nicht darauf ein, dass dieses Wachstum viele Haushalte der Armen nicht erreicht hat. Das ist genau der Grund, warum Jacob Zuma bei dieser Bevölkerungsgruppe große Unterstützung genießt.
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