■ Südafrika schließt die Reihen nach dem Hani-Mord: Über Leichen nach vorn
Südafrika trauert um Chris Hani, und die Welt ängstigt sich. Ist der Mord an einem der angesehensten Politiker des Landes ein Schritt in den Bürgerkrieg? Werden neue „Wellen“ der Gewalt den schwierigen Übergang von der Apartheid zur Demokratie zunichte machen? Die Fragen drängen sich dermaßen vehement auf, daß die Antworten darauf beinahe auf der Hand liegen: Es wird keine Eskalation hin zum Bürgerkrieg geben. Der Weg dorthin ist so klar und eindeutig, daß niemand ihn einschlagen wird.
Das auf den Mord an Hani folgende Wochenende war in dem an sonntägliche Massaker gewohnten Südafrika relativ ruhig geblieben. Nicht eine Explosion der Gewalt, sondern Lähmung und Entsetzen. Regierung und Afrikanischer Nationalkongreß (ANC) waren sich in ihren Verurteilungen einig wie selten zuvor. Der ANC wies seine Mitglieder darauf hin, daß der Mörder zwar weiß war, seine Denunziantin aber auch. ANC-Führer Nelson Mandela legte die Marschrichtung fest: Gegen „Kriminelle“, die Protestkundgebungen zu Gewalt ausnutzen wollten, kündigte er hartes Vorgehen an; gleichzeitig rief er die Regierung zur verbindlichen Festlegung eines frühen Termins für die geplanten freien Wahlen auf. Die Regierung hat dem bisher nicht widersprochen.
So bringt das atavistische Attentat die Politik voran. In Los Angeles, das dem Urteil gegen vier prügelnde Polizisten im „Rodney King“-Revisionsprozeß entgegenzittert, ist in diesen Tagen die Hysterie größer als in Johannesburg. Natürlich könnte es passieren, daß irgendein Rachsüchtiger jetzt einen prominenten weißen Politiker umzubringen versucht; natürlich sind Konfrontationen und Spannungen in den nächsten Tagen, vor allem bei der für Montag vorgesehenen Beerdigung, nicht auszuschließen. Aber gerade weil diese Möglichkeiten bestehen, breitet sich jetzt eine für Südafrika noch ziemlich ungewohnte politische Einmütigkeit aus, die einen Rückfall in alte Zeiten unwahrscheinlich macht.
Eher besteht die Gefahr, daß diese Einmütigkeit wieder auseinanderbricht, wenn es um konkrete Zukunftsfragen geht. Das drängendste Thema ist die zukünftige Gestaltung der staatlichen Sicherheitsorgane und die Reform seiner Führung. ANC-Beschuldigungen, für Chris Hanis Sicherheit sei trotz Warnungen zu wenig getan worden, kann die Regierung nicht einfach ignorieren – gerade im Hinblick auf die Vermeidung zukünftiger Attentate auf weiße Politiker. Wenn aber demnächst die südafrikanischen Sicherheitsbehörden mit all ihren Apartheid-Fossilien schwarze Minister vor durchgeknallten Weißen schützen sollen, dann muß auch der verbohrteste Nostalgiker die Obsoletheit seiner Weltbilder bemerken. Dominic Johnson
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