piwik no script img

Stuttgart überlegen gegen BerlinWirksame Raunzer

Der VfB Stuttgart, vor einer Woche noch ein peinliches Ensemble, spielt beim 2:0 gegen Immer-noch-Tabellenführer Berlin plötzlich meisterhaft.

Auch Herthas Scorer Voronin (li.) konnte seine Mannschaft dieses Mal nicht retten.

Schwäbischen Fußballfans wird nachgesagt, dass sie vieles sind - nur nie wirklich zufrieden. Im Land des ewigen Bruddelns ist auch ein Sieg des VfB Stuttgart oft nur Anlass zu kurzer Freude. Schon nach dem ersten Bier wird ausgiebig "nachgegoscht". Zu wenig Chancen verwertet, zu wenig gelaufen, und der Gomez "war au scho mol besser" - so oder so ähnlich verlässt man normalerweise das Stuttgarter Stadion.

Am Samstag war das anders. Selbst die oft grämlichen Herren von der Haupttribüne klemmten sich mit seligem Lächeln ihre Sitzkissen untern Arm und strebten zum Abpfiffbier an die Bars. Dort gab es nur Lob, und das auch zu Recht, denn das 2:0 der Schwaben gegen den Tabellenführer aus der Hauptstadt war nicht nur "das beste Spiel unter meiner Regie", wie Cheftrainer Markus Babbel bilanzierte, sondern das Beste seit langer, langer Zeit. Und damit auch wieder mal ein Indiz, wie merkwürdig Fußball doch ist. Eine Woche zuvor war der VfB in Bremen 0:4 abgewatscht worden, hatte dabei Tore kassiert, wie "sie nicht einmal in der Kreisklasse passieren dürfen" (Babbel). Und gegen Berlin, immerhin Tabellenführer, kickten sie plötzlich meisterlich.

Nicht sofort, Hertha hätte durch Andrej Woronin nach knapp einer Viertelstunde in Führung gehen können. Danach aber war nur noch Stuttgart auf dem Platz. Und wie. Die Abwehr souverän, vor allem die oft gescholtenen Khalid Boulahrouz und Ludovic Magnin traten auf, als hätte jeder vier große Teller Selbstvertrauen gegessen, im Mittelfeld zeigte kurz vor den WM-Quali-Spielen plötzlich Thomas Hitzlsperger wieder Form, Sami Khedira Tempo und Ideen, und vorne wirbelte neben dem laufstarken Mario Gomez der Neu-Deutsche Cacau so gekonnt, dass Bundestrainer Jogi Löw auf der Tribüne sich wohl ein paar Notizen gemacht haben dürfte.

Dass es am Ende nur zwei Tore durch Cacau (47. Minute) und Khedira (51.) wurden, "war für uns Glück", sagte Hertha-Trainer Lucien Favre, dem ansonsten nur die Feststellung blieb, "dass ich heute eine gute und eine schlechte Mannschaft gesehen habe". Bleibt die Frage, wie so was geht? Grottenschlecht gegen Bremen, bärenstark gegen den Primus. Ist Fußball wirklich so einfach, dass ein paar deftige Worte Flügel machen? Wohl schon, VfB-Manager Horst Heldt hatte nach Bremen den Bösen gegeben, die Profis angeraunzt und mit Liebesentzug bestraft, Babbel dagegen versucht, "jedem klarzumachen, dass er ein guter Spieler ist, sonst wäre er schließlich nicht beim VfB Stuttgart".

Und das hat gewirkt wie im Kindergarten. Vor allem mit dem Selbstvertrauen, das zum Beispiel dem gottesfürchtigen Cacau zuletzt abging, der gegen Hertha aber fast schon unglaubliche Dinge mit dem Ball machte. Stuttgart hätte jedenfalls nur in Gefahr kommen können, wenn Schiedsrichter Kinhöfer beim Stand von 2:0 einen klaren Elfmeter von Boulahrouz an Pantelic gegeben und danach vielleicht noch Jens Lehmann mit einem seiner Blackouts Voronin am Zopf gezogen hätte. Beides passierte nicht, und so hat Stuttgart wieder Sichtkontakt zu Platz fünf.

Die des VfB geht nach oben. Babbel holte in elf Spielen 24 Punkte, es könnte also eine interessante Schlussphase für die Schwaben werden, die sich im Windschatten-Tabellenklettern auskennen. 1992 waren sie genau einmal ganz oben - nach dem letzten Spieltag. Und wenn Stuttgart weiter so agiert wie gegen die Hertha, könnte das letzte Spiel der Saison 2008/2009 ein richtiger Kracher werden. Da spielt der VfB in München. Aber es würde auch keinen wundern, wenn schon am 4. April in Bochum wieder Katzenjammer herrscht.

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!