piwik no script img

Stuttgart gegen Hannover"Es fehlt die Kraft"

Der Meister muss nach dem 0:2 gegen Hannover einräumen, dass aus der kleinen Krise eine große geworden ist und er Verstärkungen braucht.

Da muss er vom Platz, der Stuttgarter Kapitän - schon nach sieben Minuten. Bild: reuters

Die Nacht muss kurz gewesen sein für viele im Kader des VfB Stuttgart. Nicht, dass einer auf dem Volksfest auf dem nahen "Cannstatter Wasen" getanzt und getrunken hätte, bis der Morgen graute, es waren vielmehr schwere Gedanken, die die schwäbischen Kicker nicht schlafen ließen. Diese Gedanken schweben immer heran, wenn aus der kleinen Krise eine große wird. Kein Meister seit der Bundesliga-Saison 1968/1969 startete so schlecht wie der VfB in dieser Spielzeit. Damals übrigens stieg der Titelträger 1. FC Nürnberg sogar in die zweite Liga ab.

VfB Stuttgart - Hannover 96

Ergebnis: 0:2 (0:1)

VfB Stuttgart: Schäfer - Osorio, Tasci, Fernando Meira, Boka (59. Farnerud) - Pardo - Hilbert, Khedira - Cacau - Gomez (78. Ewerthon), Marica (17. Magnin)

Hannover 96: Enke - Cherundolo, Vinicius, Fahrenhorst, Schulz - Lala, Balitsch (60. Yankow) - Rosenthal (65. Bruggink), Pinto, Huszti (77. Lauth) - Hanke

Schiedsrichter: Merk (Otterbach) - Zuschauer: 49 000

Tore: 0:1 Huszti (8./Handelfmeter), 0:2 Huszti (52.)

Gelbe Karten: Boka (2) / Fahrenhorst (1), Huszti (1)

Rote Karten: Fernando Meira (7./Handspiel)

Die Krise am Neckar ist nach dem 0:2 gegen Hannover also handfest, und Mario Gomez, "Fußballer des Jahres", ist auch von ihr betroffen. Als gelte es, alle Untiefen der Krise auszuloten, legte der Stürmer ein umfassendes Geständnis ab. "Ich bin platt, es fehlt die Kraft, es gibt Tage, da geht nichts." Gomez sprach anschließend noch Kapitän Fernando Meira "frei", der schon nach sieben Minuten vom Feld musste. Handspiel im Strafraum zur Vereitelung einer Torchance - das gab Rot und Elfmeter. "Er ist nicht alleine schuld, auch ich habe versagt", hauchte Gomez fast apathisch. Es war Meiras fünfter Platzverweis in der Bundesliga.

Was die Sache beim kriselnden Meister am Neckar also schwierig macht, ist die Tatsache, dass Gomez nicht als Einzelfall durchgeht. Der gesamte Verein scheint befallen von einer Art Burn-out-Syndrom, einem rätselhaften Erschöpfungssyndrom. "Wir stecken in einer Krise", sagte Trainer Armin Veh nach den Toren des Ungarn Szabolcs Huszti, der einen Handelfmeter (8. Minute) verwandelte und auch das 2:0 der Niedersachsen (52.) besorgte. 36 lange Jahre hatte 96 in Stuttgart nicht mehr gewonnen, diesmal siegten sie völlig verdient, und Trainer Dieter Hecking bekam bald eine Ahnung vom bevorstehenden Erfolg: "So, Jungs, hab ich gedacht, jetzt liegen da drei Punkte auf dem Tablett, lasst sie euch nicht mehr nehmen."

Keiner der Schwaben war in der Lage, das zu verhindern. Deswegen beginnt in Stuttgart nun langsam die Suche nach den Schuldigen. Trainer Armin Veh forderte schon neue Spieler. "Dieser Kader ist zu klein für die Belastung der englischen Wochen", sagte er am Tag danach. Neue Kräfte aber gibt es frühestens in der Winterpause.

Derweil bleiben die Probleme. Keiner der Neuzugänge erfüllt nur annähernd die Erwartungen. Da klingt es fast trotzig, wenn Sportdirektor Horst Heldt sagt: "Ich stehe zu jedem Neuzugang." Doch ein an Jahren junger Meister braucht frische Kräfte, die die Konkurrenzsituation anheizen und dem Rest der Mannschaft ein bisschen Dampf machen. Da Ewerthon und Marica als Fehlgriffe gelten, muss der ausgepowerte Gomez trotzdem spielen. So war man an diesem traurigen schwäbischen Fußballabend fast froh, über die kommenden Länderspiele sprechen zu können und den Wunsch, im Dialog mit den DFB-Trainern zu erreichen, dass Spieler wie Gomez oder Hilbert im heimatlichen Krankenlager Erholung zuteilwerden kann. Die beiden aber fuhren zusammen mit Hitzlsperger zum Treffen mit dem Nationalteam.

Allein Serdar Tasci (Nasenbeinbruch) sagte die U 21 ab. Die Ausfalllisten werden derweil immer länger. Auch Arthur Boka fällt vier Wochen wegen eines Innenbandrisses im Knie aus. "Die ganze Vorbereitung war so", klagte Veh.

Aus dem Kreis der Verletzten wie Delpierre (das Kreuzband im Knie), Hitzlsperger (Überlastungsreaktion Mittelfuß), Bastürk (muskuläre Probleme), Tasci, Hilbert (Bandanriss im Knöchel) Boka, da Silva (Muskelfaserriss) ließe sich eine schlagkräftige Krankenhauself formen. Schließlich würde es keinen überraschen, wenn man über der Klubzentrale die Flagge des Roten Kreuzes wehen ließe.

Auf Veh und Heldt kommen also stürmische Zeiten zu. Veh stellte sich immerhin nach der Niederlage gegen Hannover vor seine Mannschaft. Der Trainer aber, so intern geäußerte Kritik, lasse vielleicht zu viel laufen, ohne steuernd einzugreifen. Auf der anderen Seite taucht die berechtigte Frage auf, wen Veh als "Exempel" denn überhaupt opfern kann. Es ist schließlich kaum noch einer da, den er auf die Tribüne verbannen könnte.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!