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"Stuttgart 21"-AbrissGespräche, aber kein Baustopp

Am kommenden Freitag beginnen Gespräche zwischen Befürwortern und Gegnern des Projekts. Die Gegner fordern solange einen Abrissstopp. Doch die Auftragsvergabe läuft.

Zum Teil bereits abgerissen: Nordflügel des Hauptbahnhofs in Stuttgart. Bild: dpa

Täglich reißt der Bagger immer größere Löcher in den Stuttgarter Hauptbahnhof und treibt damit erzürnte Bürger auf die Straße. Um den Streit um das Milliardenprojekt "Stuttgart 21" zu schlichten, wollen sich Gegner und Befürworter des neuen Tiefbahnhofs nun an einen runden Tisch setzen. Nächsten Freitag soll es ein erstes Sondierungsgespräch geben. Seit Tagen streiten die gegnerischen Parteien darüber, ob es vor oder während der "Friedensgespräche" einen Abrissstopp geben soll. Gegner des Projekts fordern dies als Zeichen dafür, dass das Gesprächsangebot wirklich ernst gemeint ist.

Bei diesem Punkt geht es eher um ein symbolisches Zeichen. Doch im Hintergrund werden weiter Fakten geschaffen. Denn die Vergabe von Bauaufträgen für "Stuttgart 21" läuft weiter, darunter so gewichtige Großaufträge wie der für den Rohbau des Bahnhofs selbst. "Ende 2010, Anfang 2011 wird dieser Auftrag vergeben", bestätigte eine Sprecherin der Deutschen Bahn der taz. Auf die Frage nach einem vorläufigen Stopp der Vergaben sagte sie: "Dafür sehen wir keine Veranlassung."

Für den verkehrspolitischen Sprecher der Grünen im Landtag, Werner Wölfle, ist ein Stopp der Auftragsvergabe eines der Themen, die man beim ersten Treffen verhandeln sollte. Bis dahin solle aber erst einmal der Bagger ruhen, "denn diese Vorgabe kann ich im Gegensatz zu einem Vergabestopp besser kontrollieren", sagt Wölfle. "Zeigt sich dann beim Sondierungsgespräch, dass man es ernst meint, wäre der Stopp der Vergabe das Nächste. Sonst brauche ich gar nicht weitermachen."

Juristen hingegen halten sowohl einen Baustopp als auch eine Verzögerung der Ausschreibungen parallel zu den Gesprächen für sehr problematisch. Denn beides könnte enorme Kosten nach sich ziehen.

Wäre ein Totalstopp des Projekts trotzdem möglich? Der Stuttgarter Rechtsanwalt Frank Stege hat sich für die taz die Ausschreibungen angeschaut. Ein wesentliches Problem bei derartigen Großprojekten sei, dass seitens des Projektbetreibers alle Aufträge genau getaktet seien und nahtlos ineinander griffen, erklärt der Experte für Bau- und Architektenrecht. "Es ist nicht so, dass einfach jeder Termin etwa vier Wochen nach hinten verschoben werden kann." Dass die Auftragsvergabe deshlabnun hinausgezögert wird, bis alles geklärt ist, hält Stege für eher unwahrscheinlich. "Für den Planer wäre eine Verzögerung der schlimmste Fall von allen."

Als "nur ein kleines Beispiel" nennt er großräumige Flächen, die angemietet werden müssen, um Baumaterialien zu lagern. Verzögert sich alles, würden diese Flächen bezahlt leer stehen. Sollte es während der Gespräche zwischen Betreibern und "Gegnern von Stuttgart 21" zu einem Stopp der Bauarbeiten oder zu einer Verzögerung der Ausschreibungen kommen, "wäre das für mich unkalkulierbar, was das kosten würde".

Aus dem Großprojekt auszusteigen, sehen Juristen trotzdem als möglich an. Ein Bauherr dürfe schließlich selbst entscheiden, was er bauen will. Auch wenn Angebote für eine Ausschreibung vorliegen, sei die öffentliche Hand nicht verpflichtet, Verträge abzuschließen. Solange Aufträge noch nicht vergeben sind, könnten zwar Entschädigungen für die Bewerbungen anfallen, erklärt Rechtsanwalt Stege. Und diese könnten bei Großprojekten durchaus im sechsstelligen Bereich liegen. Im Gegensatz zu der Milliardensumme, die "Stuttgart 21" verschlingen wird, sehen die Gegner das jedoch als "Peanuts" an.

Sollten die bisher für den neuen Tiefbahnhof angenommenen Kosten von 4,1 Milliarden Euro gravierend weiter steigen, sähe Stege darin sogar eine Möglichkeit, ohne Schadensersatzansprüche das Projekt zu stoppen. "Aufgrund der ständig steigenden Kosten des Projekts ist es zumindest denkbar, dass die Finanzierungsmittel mittlerweile nicht mehr ausreichen, um die Kosten vollständig abdecken zu können", so Stege.

Viele Gegner des Projekts fragen sich inzwischen, über was eigentlich am Runden Tisch verhandelt werden soll und setzen eher darauf, dass durch Kostensteigerung und weitere Proteste das Projekt gekippt wird. "Runde Tische sind immer da, um Kompromisse auszuhandeln", sagt Gerhard Pfeifer vom Umweltverband BUND. "Bei ,Stuttgart 21' gibt es aber nur hop oder top."

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9 Kommentare

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  • MH
    Mark Harder

    Ich würde den Bahnhof lassen, wo er ist, und stattdessen Stuttgart verlegen. Z.B. nach Vaihingen/Enz, an die Neue Messe oder neben die Neubaustrecke Richtung Ulm - aber nur, wenn dort keine Bäume gefällt werden müssen. Evtl. wäre das billiger, der Nesenbachkanal flösse weiterhin an Ort und Stelle und Stuttgarts architektonische Perle - diese bezaubernde Gleisfläche hinter Bonatzens Meisterwerk - bliebe erhalten.

  • S
    Stefan

    Die Schwaben blamieren sich mal wieder auf Kosten des Steuerzahlers vor der gesamten Republik. Warum schließt man nicht einfach die bestehende Schnellbahnstrecke ab Vaihingen/Enz westlich an Stuttgart vorbei entlang der Autobahn an den Flughafenbahnhof an und macht diesen damit in Verbindung mit der Neubaustrecke nach Ulm zum wichtigsten Durchgangsbahnhof, wie es in anderen Städten wir Frankfurt am Main längst der Fall ist? Dazu bräuchte man weder den denkmalgeschützten Kopfbahnhof zu drehen, tieferzulegen oder abzureißen noch die halbe Stadt für Jahrzehnte aufzubrechen und das denkmalgeschützte Schmuckstück könnte als Dreh- und Angelpunkt für den Regionalverkehr und gelegentlich verkehrende Fernverkehrszüge erhalten bleiben.

  • WW
    Werner Winkler

    Der Kompromiss wäre relativ einfach zu haben: Abrissstopp und Neuplanung eines zweiten Bahnhofs für Stuttgart zwischen Neuer Messe und Flughafen - dort wäre er auch am richtigen Platz und genau auf der Strecke in zwischen Ulm und Straßburg. Und wer von dort in die City will, nimmt die bereits existierende S-Bahn. Das gesparte Geld für den Umbau des alten Hauptbahnhofs und die vielen Tunnel steckt man in die Neubaustrecke nach Ulm und fertig ist das Ganze. Dauert zwar nochmal fünf Jahre Planung - aber dafür protestiert nicht irgendwann die halbe Stadt.

  • DT
    Dr. Treno

    Die Vorarbeiten der DB für Stuttgart 21 sind bereits Monate HINTER dem Zeitplan, weshalb es derzeit auch keinerlei Grund gibt, den Nordflügel abzureißen.

    http://www.vcd-bw.de/presse/2010/34-2010/index.html

    Hinzu kommt, dass erst mal der Nessenbach-Kanal unter dem jetzigen Hbf verlegt werden muss, bevor man in der Grube bauen kann. DIESE Ausschreibung ist erst vor kurzem GESCHEITERT, weshalb es auch hier zu Verzögerungen kommen wird. Die gesamten Zeitpläne sind bereits Makulatur, siehe Stuttgarter Zeitung vom 4.7.2010:

    http://www.stuttgarter-zeitung.de/stz/page/2545556_0_3811_-stuttgart-21-baubeginn-rueckt-in-weite-ferne.html

  • A
    alcibiades

    Ich will ja keiner von denen sein, die sich nur übe Rechtschreibfehler aufregen und den eigentlichen Artikel gar nicht zu Ende lesen. Deshlabnun muss ich sagen, dass das in Stuttgart eine Riesensauerei ist und der Protest dagegen hoffentlich der erste Schritt zum Sturz von Angela Merkel. Deshlabnun könnte man sagen, es geht ja nur um Kommunalpolitik. Ich aber sage darauf, bei der Kommunalpolitik fängt es an, deshlabnun wird am Ende die Merkel gestürzt, deshlabnun sie ein Beispiel für eine völlig dekadente Politikerkaste ist, die glaubt, man hätte das schon alles im Griff und könne deshlabnun den lästigen Wähler wegrationalisieren. Ich bin deshlabnun schon gespannt, was sie sagt, kurz bevor wir sie deshlabnun guillotinieren.

  • A
    Anna

    Die Demonstrationen bewirken eine weitaus größere Verzögerung als ein Baustopp von sagen wir erst mal einer Woche. Da die Demos auch noch mindestens bis zu den Landtagswahlen im März 2011 weitergehen werden, bekommen die Bauherren sowieso Probleme mit der Planung. Gibt es eigentlich irgendein Großprojekt, wo die Planung eingehalten wurden? Das ist für mich kein glaubwürdiges Argument, dass man keinen Baustopp machen könne, weil alles so nahtlos durchgetaktet ist. Bei der ganzen Fehlplanung bisher und einer geschätzten Bauzeit von 10 bis 20 Jahren, Kosten von geschätzten 7 bis 11 Tausend Millionen können ein paar Wochen nun wirklich nichts ausmachen. Wurde z.B. der Widerstand der Bevölkerung mit in der Planung einbezogen? Übrigens, was soll ein Bahnhof, der später von der Bevölkerung abgelehnt wird?

  • A
    ausländer

    Gespräche am "RundenTisch" drehen sich meistens im Kreise...Hoffen wir, dass es keine Farce ist, bzw. wenn, dass der Protest noch stärker weiter gehen wird!!!

    Interessanterweise äußerte sich diese Woche im SWFunk die Kulturbürgermeisterin (CDU) der Stadt Stuttgart und meinte, ein Baustopp sei in gewisser Weise wichig, um die Gespräche zu starten, ABER sie halte auf der anderen Seite auch ein sofortiges Beenden der Demonstrationen für absolut notwendig... Dies ist ein aufschlußreicher Beleg für das Demokratieverständnis der CDU - atemberaubend!

  • RM
    Rainer Müller

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    Genau, Herr Pfeifer: es gibt nur hop oder top bei diesem Projekt. Und Gangolf Stocker kann ich nur uneingeschränkt unterstützen: Sondierungsgespräche am Freitag nur, wenn ab Montag der Bagger ruht. Ich bin Torwächter und schau mir das am Montag genau an. Bis zum Beweis des Gegenteils gilt Gangolf Stockers Einschätzung: Herr Grube ist ein Trickser und Täuscher.

    Frau Merkel: wie lange wollen Sie sich das Treiben dieses Herrn noch anschauen? Wie lange wollen Sie an einer Neubaustrecke festhalten, deren Kosten-Nutzen-Faktor bei max. 1 liegt bzw. bei 0,6, wenn man berechtigterweise die nicht (und niemals existierenden) leichten Güterzüge herausrechnet? Dies ist eine verbrecherische Veruntreuung von Steuergeldern!

  • R
    reblek

    "Die Gegner fordern solange einen Abrissstopp." Nein, die fordern ganz gewiss nicht nur solange, sondern auch über die Gespräche hinaus einen Abrissstopp. Gemeint ist sicher, dass während der Gespräche der Abriss ruhen soll.