Studien: Kohlendioxid hilft Pflanzen kaum
Neue Studien bezweifeln einen der wenigen vermeintlich positiven Effekte von CO2: schnelles Pflanzenwachstum.
BERLIN taz Der Gang ins Treibhaus ist wie ein Gang in unsere Zukunft: Bis zum Ende des Jahrhunderts wird unsere Luft eine ähnlich hohe CO2-Konzentration haben wie die in einem Gewächshaus. Damit, so dachte man bislang, könnte der Klimawandel neben Hitze, schmelzenden Polen und Wirbelstürmen auch eine positive Folge haben: Mehr Essen. Durch den erhöhten CO2-Gehalt in der Luft wachsen Reis, Kartoffeln und Weizen schneller. So die Theorie.
Doch Wissenschaftler der Bundesforschungsanstalt für Landwirtschaft haben nun herausgefunden, dass die CO2-Düngung unterm Strich wenig bringt. Zum einen steigt der Ertrag je nach Frucht nur zwischen sechs und 15 Prozent. "Das ist deutlich weniger als bislang vermutet", sagt Hans-Joachim Weigel, Leiter der Bundesforschungsanstalt. Zum anderen werde dieser geringe Zuwachs weiter getrübt, weil die Pflanzen weniger Nährstoffe produzierten: "Der Proteingehalt nimmt ab, in einer Größenordnung zwischen 10 und 15 Prozent."
Den Grund kennt man noch nicht genau. Pflanzen produzieren Proteine, also Eiweiße, unter anderem, um CO2 in Zucker zu verwandeln. Ist mehr CO2 in der Luft, geht das leichter. Vielleicht verringern die Pflanzen darum die Eiweißproduktion.
Der geringe Eiweißgehalt hat Folgen für die Ernährung: Herbert Wieser von der Deutschen Forschungsanstalt für Lebensmittelchemie hat den Weizen aus Weigels Versuchen zu Brotmehl gemahlen und den Eiweißgehalt gemessen. Die Gluten-Eiweiße waren um rund 20 Prozent gesunken. Das ist schlecht für die Backqualität des Mehls; der Teig klebt dann nicht mehr.
Der Hohenheimer Pflanzenökologe Andreas Fangmeier hat herausgefunden, dass nicht nur der Eiweißgehalt abnimmt, wenn der Kohlendioxidgehalt in der Luft steigt: In Experimenten ist etwa der Vitamin-C-Gehalt von Kartoffeln um 50 Prozent gesunken. Einige amerikanische Forscher warnen bereits vor Mangelernährung.
Die neuen Untersuchungen sind wesentlich realitätsnäher als frühere Forschungsarbeiten, die wesentlich positivere Auswirkung des CO2-Anstiegs prophezeit hatten. Denn zum ersten Mal wird der CO2-Düngeeffekt nicht im Gewächshaus erforscht, sondern draußen, unter Realbedingungen mit Wind und Regen. Dazu wird ein Ring mit 20 Metern Durchmesser aufgestellt, aus dem CO2 bläst. Die CO2-Konzentration über den Pflanzen wird etwa auf den Gehalt erhöht, der für 2050 vorhergesagt wird. Der Betrieb der Forschungsanlagen ist extrem teuer. Bislang wird diese Methode nur in Braunschweig, China, den USA und Australien genutzt.
Was die Erkenntnisse für die zukünftige Ernährung und Landwirtschaft bedeuten, ist noch nicht klar. Einige Pflanzen, zum Beispiel die Zuckerrübe, reagieren sehr stark auf die CO2-Erhöhung. Andere, wie etwa Mais, fast gar nicht. Noch gibt es zu wenig Datenmaterial, um sichere Prognosen abzugeben. Weigel will die Forschung vorantreiben, denn sichere Erkenntnisse müssen möglichst schnell vorliegen: "Man kann versuchen, mit Züchtungen gegenzusteuern. Das aber braucht Zeit."
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