Studie zu maroden AKWs: Wachsende Risse in Rohren

Eine Studie untermauert die Gefahr von Stahlrissen im AKW Isar I. Das unterschätzte Phänomen ist auch in anderen Reaktoren ein Problem - je älter sie sind, desto mehr.

Das AKW Isar I. Laut Eon sind dort noch keine Risse aufgetreten. Bild: dpa

Mit einer neuen Studie zur Gefahr von Rissen haben die Grünen im Bayerischen Landtag ihre Forderung nach einer Abschaltung des AKW Isar 1 untermauert. Der Stellungnahme des Hannoveraner Reaktorsicherheitsexperten Wolfgang Neumann zufolge besteht insbesondere bei den älteren Reaktoren das ständige Risiko eines Rohrbruchs oder Lecks aufgrund von Materialermüdung. Zudem führe ein möglicher Unfall hier wegen der schlechteren Sicherheitsvorkehrungen leichter zur Katastrophe. Mit jedem Betriebsjahr steige die Gefahr, warnte Neumann: "Deshalb darf man keinesfalls die Laufzeiten verlängern." Isar 1, seit 1977 in Betrieb, ist ein Siedewasserreaktor der ältesten Generation - genau wie Brunsbüttel. Dort sind erst an diesem Montag neue Risse enteckt worden.

Das Rissphänomen zeigt, wie begrenzt wissenschaftliche Prognosen sind - und wie groß die Defizite bei den Sicherheitsüberprüfungen. Denn allein, dass es überhaupt Risse gibt, widerspricht allen Vorhersagen: Kein Stahl scheint gegen sie gefeit. Und weil niemand mit ihnen rechnet, werden Hinweise auf Risse bei Prüfungen oft gar nicht erkannt.

So traten die ersten Risse in den alten Siedewasserreaktoren bereits wenige Jahre nach Inbetriebnahme auf. Philippsburg 1, Brunsbüttel, Isar 1, Krümmel - sie alle mussten nach einer Order der Reaktorsicherheitskommission unzählige Rohre auswechseln, weil sich der zunächst verwendete Stahl als zu rissanfällig erwiesen hatte. Auch in Rohren aus dem verbesserten Material sind bereits Risse aufgetreten. Die Aufsichtsbehörde hält es für unwahrscheinlich, dass ein Riss hier zu kritischer Größe wachsen kann. Neumann kritisiert diese Annahme als bloße "Theorie". Die Prüfungsintervalle seien viel zu groß.

Auch ein anderes Material, der stabilisierte austenitische Stahl, galt einst als absolut sicher. Anfang der 90er fand man mithilfe besserer Prüfgeräte dann in allen Siedewasserreaktoren jede Menge Risse. Die interkristalline Spannungsrisskorrosion, wie Experten das Phänomen nennen, gilt als typische altersbedingte Materialschwäche und ist laut OECD die häufigste Ursache für Rohrleitungsschäden in Atomkraftwerken. Für das AKW Würgassen bedeuteten diese Risse das Aus, anderswo starteten Reparaturprogramme. Vermeiden lassen sich die Risse bis heute nicht.

Laborexperimente ergaben Beunruhigendes: Die Risse können rasant wachsen - um bis zu 10 Millimeter pro Jahr im Labor. Im Reaktor wurde dieses Tempo bisher nicht beobachtet. "Eine Vermutung ist, dass die lang andauernde Phase der Rissinitiierung im AKW noch nicht abgeschlossen ist und dass erst anschließend das rasante Risswachstum auftritt", so Neumann. Als "niemals endende Geschichte" bezeichnen Experten auch den dritten Risstyp, die transkristalline Spannungsrisskorrosion. Seit den 80ern stießen Prüfer immer wieder auf das Phänomen, meist an Stellen, die normalerweise nie überprüft wurden. So auch 2007 im AKW Krümmel, wo sie den Stillstand nach dem Trafobrand zur Inspektion von Armaturinnenseiten nutzten: jede Menge Risse, zwei Jahre Reparaturen. Eine Anfrage der Grünen, wie und mit welchem Ergebnis das bautypgleiche AKW Isar 1 daraufhin überprüft worden sei, beantwortete die bayerische Staatsregierung nur ausweichend. Bei Eon heißt es, es habe "keine derartigen Befunde" gegeben. Zum Umfang der Untersuchungen machte der Konzern aber keine Angaben.

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