Studie über Folgen der Finanzkrise: Forscher warnen vor "Trostessen"
Wer hohe Schulden hat, leidet eher unter Fettleibigkeit, haben Forscher der Uni Mainz herausgefunden. Die Wirtschaftskrise könnte diesen Trend verstärken.
BERLIN taz Macht die Krise dick? Eine Gruppe von Wissenschaftlern warnt davor. Die Forscher untersuchten den Zusammenhang zwischen Überschuldung und Fettleibigkeit. Eine schriftliche Umfrage des Instituts für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin der Universität Mainz unter 949 überschuldeten, also zahlungsunfähigen Menschen, ergab, dass 25 Prozent fettleibig waren - im Gegensatz zu elf Prozent der Gesamtbevölkerung.
Bisher wurde Fettleibigkeit vor allem mit Bildungsgrad und sozioökonomischem Status in Verbindung gebracht. Die Heranziehung der Kategorie von "Überschuldung" ist neu.
"Die Überschuldung einer Privatperson geht mit der Wahrscheinlichkeit von Übergewicht und Fettleibigkeit einher, und zwar unabhängig von anderen sozioökonomischen Faktoren," erklärt Studienleiterin Eva Münster. Dies hieße, dass auch Personen aus der Mittelschicht, die überschuldet sind, eher fettleibig sind als der Bevölkerungsdurchschnitt.
Die derzeitige Finanzkrise könnte die gesundheitlichen Probleme in den betroffenen Haushalten noch verschärfen, befürchtet Münster.
Warum aber leiden mehr Überschuldete unter diesen gesundheitlichen Schwierigkeiten? Schulden könnten sich auf die Risikofaktoren für chronische Erkrankungen auswirken, argumentieren die Wissenschaftler, etwa indem weniger Freizeitaktivitäten stattfinden oder kalorienreichere Nahrung gewählt wird. Es gebe auch eine Neigung der Betroffenen zum "Trostessen", sagt Münster. "Energiereiche Nahrungsmittel wie Süßigkeiten oder fettige Snacks sind meistens billiger als Früchte oder Gemüse", so Münster, die eine Niedrigpreiskampagne für gesunde Lebensmittel fordert.
Ob Verschuldete schneller fettleibig werden oder sich Dicke schneller verschulden, und ob überhaupt eine direkte Kausalität zwischen beiden Merkmalen besteht, da sind sich die Forscher nicht sicher. Der häufigste Grund für hohe Schulden ist immer noch die Arbeitslosigkeit. Denkbar wäre also etwa auch, dass Menschen depressiv werden, wenn sie ihren Job verlieren und dann eben auch übermäßig essen. "Um eindeutige Aussagen über Ursache und Wirkung zu treffen", sagt Münster, "wären weitere Studien nötig."
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